Text aus Off/Opening
von „Hass“
Briefwechsel zwischen Nicolas Sarkozy und Mathieu Kassovitz
Alles mit Ansage, aber die Leute sind der Zentralregierung scheiß egal, seit Jahrzehnten ist die einzige Antwort Polizeigewalt, Rassismus, Islamophobie, FN, Chancenverweigerung, damit zeigt auch Macron, dass er in diesem Fall keine andere Sprache versteht. Er sollte den Notstand ausrufen, dann fängt der Spass erst richtig an und die hässliche und menschenverachtende Fratze französischer Migrationspolitik wird vollkommen. Es gibt so nichts mehr zu besprechen. Nichts was nicht schon in "La Haine" vor über 30 Jahren besprochen wurde. In dieser Sache ist Frankreich ein einzigartiges Exempel für alles, was man falsch machen kann, gefolgt von Polen, Ostdeutschland und den Skandinaviern. Das was jetzt zum xten mal passiert und eine neue Qualität erreicht, ist die Quittung. Was ist der nächste Schritt? Wie in Dänemark? Schweden? Deportationen, Zwangsabriss von Wohngebäuden, gewaltsame Zerschlagung von Communitys und Nachbarschaften? Nationaler Sozialismus - das schwedische Modell? Fahrradwege statt Asyl und kultureller Vielfalt? Die EU hat einen an der Waffel, so kann dies ohne Statement aus dem EU-Parlament, auch was Schweden/Dämemark angeht, nicht weiterlaufen. Daneben ist es lächerlich, die Polen und Ungarn zum Buhmann zu machen, während die Praxis in Skandinavien neben Frankreich schlimmer ist, man es ihnen aber erlaubt, weiter das Bild der fortschrittlichen Nordländer zu pflegen, wegen ein paar scheiß Radwegen und Windmühlen. Obschon Dänemark sich über Jahre nicht an elementare Schengen Regeln hält.mit fadenscheinigen Begründungen, kein Vertragsverletzungsverfahren. Schweden den eigenen Rechtsstaat aushebelt, um NATO MItglied zu werden, es dann aber zulässt, dass sich der ganze Laden durch Erdogan global lächerlich macht. Erdogan sollte die Auslieferung von ABBA fordern. Rückt endlich euer Bild zurecht. Und Macron kann man nur raten: "Polizei" abziehen und die Quartiere mit Millarden zuschütten und jeden einzelnen "Polizisten" durch multiethnische Entwicklungsmanger:innen ersetzen. Mindestens 30 Milliarden. Sofortprogramm. Das ganze kann gerne auch den Louvre zerlegen, oder den Eifelturm fällen, denn in den Quartieren gibt es bald nichts mehr zum Abfackeln. Und ein kleines Facelifting kann Paris nicht schaden.
Auch zu Corona Zeiten hat Hass nichts von seiner Aktualität und Prägnanz eingebüßt, er
entwickelt sich zum postmodernen Klassiker des „SozialKinos“. Die aktuellen Entwicklungen in
Frankreich erschüttern das Land. Hollande tritt ab mit NULL und als NULL. Die
rechtsradikale Front National ist laut wie nie und sät weiter Hass - die Probleme freilich,
auch die Terrorprobleme, sind hausgemacht, und vor allem Spiegel unerträglicher sozialer
Ungleichheit.
„Hass“ erzählt von den unauflösbaren Widersprüchen in einer der Pariser Vorstädte. Er zeigt die fatalen Konsequenzen der verfehlten Sozialpolitik Frankreichs. Das besondere ist, dass der Film die Ursachen nicht in „Integrationsproblemen“ sieht, sondern in sozialen Problemen. Erst vor dem Hintergrund einer verfehlten Sozialpolitik entfalten „Integrationsprobleme“ überhaupt ihre Wirkung, stärken so auch Radikale und Fundamentalisten aller Couleur. Die Betroffenen im Film sind drei junge Leute, die aus gänzlich unterschiedlichen kulturellen Zusammenhängen kommen, da ist der Araber Saïd, der Jude Vinz und der Schwarze Hubert. Mit ihren Augen sehen wir die Vorstadt, sie nehmen uns mit durch eine französische Gesellschaft, die Teile ihrer Bevölkerung abgespalten hat, quasi inländisch abgeschoben. Die sozialpolitische Realität zwingt den Betroffenen Situationen auf, aus denen sie prinzipiell nicht entkommen können, auch die Staatsorgane, hier in Form der Polizisten, stehen vor Problemen, die sie selbst nicht geschaffen haben, die sie mit ihren Mitteln aber auch nicht lösen können. Letztlich ist niemand mehr in der Lage „richtig“ zu handeln, so sehr sich Einzelne auch bemühen.
„Hass“ zeigt die Akteure nie als arme Opfer, vielmehr als selbstbewusste Menschen, die trotz ihrer Situation versuchen ein menschenwürdiges Leben zu führen.
Ästhetisch manifestierte sich in „Hass“ ein Kino der Dynamik, der Stringenz, der rhythmischen Collage von Situationen, dies in einer brillanten Schwarzweiß Optik. „Hass“ bleibt stets auf der Seite der Protagonisten, die Laiendarsteller sind, der Film spührt ihre Situationen auf, ohne dabei eine dokumentarisch-analytische Position zu verlassen, der Film will kein Mitleid, kein Bedauern, keine Didaktik. Er folgt so einer antirassistischen Position, die auch keinen Positivrassismus, Charityrassismus betreibt: Armut entsteht nicht durch bestimmte kulturelle Hintergründe, sondern durch eine Sozialpolitik, die bestimmte Menschen stigmatisiert, erst danach setzt eine Flucht in Kultur, religiösen Fanatismus, Radikalismus ein. Es geht nicht um Almosen und Hilfe, es geht darum, dass ein selbst gestalteter Alltag möglich sein muss. Ein Alltag, der nicht nur bedeutet die Drecksarbeit zu machen, die sonst keiner machen will. In der Inszenierung ist der öffentliche Raum scheinbar leer, die drei Jugendlichen bewegen sich durch eine entvölkerte Vorstadt, direkt nach den Unruhen traut sich erst einmal niemand mehr auf die Straße, diese „Leere und Angst nach dem Sturm“ ist Symbol der „Leere“ des Ghettos, der Abwesenheit von Perspektiven. Besonders bei Vinz wandelt sich die Angst in ein kaum mehr zu beherrschende „Geladenheit“, eine innere klaustrophobische Situation, die an irgendeiner Stelle einen Ausweg finden muss.
Was bleibt vom Sozialrealismus traditioneller Art? Fast nichts, denn er wurde in eine beinahe maschinelle Rhythmik der Eskalation weiterentwickelt, die zum Beispiel auch durch das dauernde Hubschraubergeknatter über den Köpfen deutlich wird. In den Hubschraubern manifestiert sich ein Apparat, dessen Hauptziel die Abschottung der Menschen in bestimmten Zonen ist. Dieser Apparat der Staatsmacht tritt ihnen nicht mehr als ihr Apparat, als der Apparat der demokratisch ligitimierten rechtsstaatlichen Exekutive gegenüber, sondern als der Apparat einer Besatzungsarmee. Irgendwann wird dann auch der Sozialarbeiter als Teil der leeren Versprechen, als Teil der Besatzer wahrgenommen. Die, in letzter Konsequenz, durch den Apparat abgeschotteten Zonen entwickeln sich dann, in den vielzitierten „rechtsfreien Raum“, dies liefert dann wiederum die Begründung für Angriffe von Seiten des Staates, die weitere Abschottung erfolgt.
Unter derartigen Bedingungen bleibt den Menschen gar nichts anderes, als eine Selbstorganisation des Lebens, vor dem Hintergrund nicht funktionierender Sozial- und Bildungssysteme, diese Selbstorganisation ist das, was wir den „rechtsfreien Raum“ nennen.
Irgendwann verlassen sie die Vorstadt und besuchen einen „ausgeflippten Künstler“ in einer der besseren Gegenden der Stadt, große sanierte Altbauwohnung, hier stehen sie allerdings erneut vor einer Leerstelle, denn der „Künstler“ hat den dreien wenig mehr zu bieten als die Rolle des ausgeflippten, zugekoksten Kleinbürgers, dessen Malereien man wahrscheinlich nur zugedröhnt für Kunst halten kann. Bigotterie der „Bürgerlichen“ – die in prekàren Verhältnissen an den Rand gedrückten, dürfen immerhin noch die Drogenlieferanten für die „bessere“ Gesellschaft spielen .
Die Konsequenz ist eine dauernden Ortlosigkeit, ist das Gefühl nirgendwo ein zu Hause zu haben, außer in einer weiteren Eskalation.
Für diese latente Bedrohung steht Vinz, der eine 45er Magnum gefunden hat, die ein Polizist im Viertel verloren hat, diese 45er spielt die eigentliche Hauptrolle, sie ist das Damoklesschwert über den Handelnden. Vinz macht den Einsatz der Waffe davon abhängig ob ein bei den Unruhen durch Schüsse der Polizei verletzter Jugendlicher stirbt. Dies ist ein symbolischer Konflikt, der auch die Freundschaft der drei jungen Männer auf die Probe stellt. Nur in wenigen Sequenzen bewegen sich die drei Helden des Films nicht, dann sind sie irgendwo in den kulturellen Zentren der Vorstadt, dies sind wahlweise: Hausdächer, runtergekommene Spielplätze, Garagen, leerstehende Keller oder ähnliches. Einmal sitzen sie auf einem Spielplatz als ein Fernsehteam aufkreuzt – und versucht Bilder aus der Kriegszone zu sammeln. Die Mehrheitsgesellschaft ist geil auf das Elend der Vorstadt, sie will die Outlaws unbedingt in den News.
„Hass“ bleibt dabei aber nicht in totaler Tristesse stecken, beispielsweise gibt es die Szene in der ein DJ in seinem Zimmer ein DJ Set aufgebaut hat, er ist nervös wie vor einem Auftritt. Er öffnet die Fenster seines Zimmers und beschallt die gesamte Nachbarschaft mit seinem Sound, die Kamera folgt fliegend den Schallwellen, „auf den Schwingen“ der Musik fliegt der Zuschauer durchs Viertel.
Nicht ganz ohne Pathos, vielleicht sogar ein etwas kitschiger Moment. Durch die Auswahl des Stückes aber, in der auch Edith Piaf in einer, sagen wir sozialrealistischen Variante erklingt, wird das aromatische Selbstverständnis der „egalitären“ französischen Gesellschaft ad absurdum geführt, klatscht auf den Beton der Realität.
Schon sehr früh zeigt der Film damit die Probleme der jetzigen (konservativen Artikel was 2009) " sozialistischen" "en marcheistischen blablabla) französischen Regierung auf, die die Unruhen in den Vorstädten dauernd als ethnisch-religiös begründet vorführt, um damit von den sozialen Ursachen abzulenken. Nicolas Sarkozy war während der Unruhen, die in „Hass“ thematisiert werden, übrigens noch Innenminister. Sitzt der jetzt nicht im Knast? Egal... Doch eigentlich muss man Frankreichs Probleme eben auch vor der langen Kolonialgeschichte des Landes sehen. Die Menschen, die heute in den Elendsvierteln der Vorstadt wohnen sind Menschen, die in ihrer Heimat über mehr als einhundert Jahre die Folgen der Kolonialpolitik ertragen mussten, und ertragen.
„Hass“ zeigt auch, dass die Randale, solange sie in den Vorstädten selbst stattfinden, wenig mehr bedeuten als eine weitere Gewaltspirale innerhalb der Lebenswelt der Betroffenen. „Hass“ endet wie er begonnen hat, mit einer erneuten Eskalation, die klein anfängt. Wieder kommt eins zum anderen, die Zahnräder greifen ineinander. Die vielen kleinen Situationen, die vielleicht zunächst privater Natur sind, verketten sich anfänglich beinahe unbemerkt zu immer größerer Dynamik, die dann von Zeit zu Zeit ein Ventil braucht. Die Kunst wäre es schon die unterste Ebene der Aggregation des Elends zu verhindern, diese findet im Intimraum der Betroffenen statt, greifen diese Situationen in den öffentlichen Bereich über, ist es meist zu spät, eine kritische Masse ist dann längst erreicht.
Regie
Mathieu Kassovitz
Produktion
Adeline Lecallier–Associate Producer
Alain Rocca–Associate
Producer
Christophe Rossignon–Produzent
Gilles Sacuto–Herstellungsleitung
Originalmusik
Assassin
Kamera
Pierre Aïm
Schnitt
Mathieu Kassovitz
Scott Stevenson
Mit
Vincent Cassel … Vinz Hubert Koundé … Hubert Saïd Taghmaoui … Saïd Abdel
Ahmed Ghili … Abdel Solo … Santo Joseph Momo … Ordinary Guy Héloïse Rauth … Sarah Rywka Wajsbrot …
Vinz’s Grandmother Olga Abrego … Vinz’s Aunt Laurent Labasse … Cook Choukri Gabteni … Saïd’s Brother
Nabil Ben Mhamed … Boy Blague