Evo Morales, geboren am 26. Oktober 1959 in Isallavi, Bolivien, ist eine der ikonischsten
Figuren Lateinamerikas, die an der Schwelle des 21. Jahrhunderts auf der politischen
Bühne erschien.
Er steht auch für die Revitalisierung indigener Kulturen im beginnenden
21. Jahrhundert.
Seine Rede hält er hier im Tiefland. Das bolivianische Tiefland war kein einfacher Ort für Morales und
seine Partei die MAS. Bolivien ist ein Mikrokosmos, der zeigt, wohin nationale, demokratische, "sozialistische
Revolutionen" führen, noch dazu, wenn sie gepaart sind mit allerlei kultureller Zuschreibung und
einer Portion Identitätspolitik. Eine reformistische Politik, die im Prinzip sozialdemokratisch funktioniert,
sich nicht zwischen Reform und Revolution entscheiden kann und so letztlich einen Zickzack Kurs mit marginalen
Verbesserungen erzeugt. Eine Politik, welche das Land in zwei Lager gespalten hat, und sogar zwischen die
indigenen Teile einen Keil trieb. Alles in guter Absicht.
"Bolivien im Umbruch. Evo hält seine Versprechen." Die Regierung präsentiert Plakate mit erhobenen Fäusten.
Die "Verstaatlichung" der Öl- und Gasvorkommen – das war in der Tat nur die Aushandlung neuer Verträge mit den
Neo Kolonialisten, aber kämpferisch in Szene gesetzt. Das hat dem Staat zusätzliche Einnahmen gebracht.
Dieses Geld floss auch in soziale Programme zur Bekämpfung von Armut. Alle Bolivianer über 60 Jahren
erhalten nun eine monatliche "Rente der Würde" von 200 Bolivianos (ca. 20 Euro).
Das Familienbeihilfeprogramm "Juancito Pinto" erleichtert bedürftigen Familien die Schulbildung
ihrer Kinder zu finanzieren. Der gesetzliche Mindestlohn wurde auf monatlich
575 Bolivianos (55 Euro) angehoben, was jedoch wenig mehr als ein Almosen ist. Auch dieser ist abhängig von
den Interessen der ausländischen Investoren. Zum
Unwillen der Großgrundbesitzer wurden bereits 5 Millionen Hektar
brachliegendes Ackerland an arme Bauern verteilt - laut Regierungsangaben.
Eine neu gegründete Entwicklungsbank vergibt Kredite an Kleinunternehmer und Kleinstunternehmerinnen. Wir
sehen also die für Entwicklungsländer typische Mischung aus ausländischen Großinvestoren und inländischen
subsidiärem Kleinst"kapital". Damit werden die Karten nicht wirklich neu gemischt, aber auf der Tonspur kann
man schon einiges erzählen. Wären da nicht die handwerklichen Probleme, die aus einem nationalen und
reformistischen Kurs kommen.
Bolivien war und ist stark zentralisiert. Präsident Morales hatte ein Projekt zur Autonomie initiiert,
das
hauptsächlich auf die Selbstbestimmung der indigenen Bevölkerung abzielte.
Im Rahmen der Diskussion über das Autonomiegesetz kam es zu einem schweren Konflikt mit dem
Bund
der indigenen Völker des bolivianischen Ostens CIDOB. Die CIDOB kritisierte, dass der MAS sein
Wahlversprechen einer verstärkten politischen Teilhabe der indigenen Völker des bolivianischen
Tieflandes nicht wahr gemacht habe und dass die Autonomie nur eine vom Staat kontrollierte
Scheinautonomie sei. Nach wiederholt fehlgeschlagenen Verhandlungsversuchen mit der Regierung
führte die CIDOB einen einmonatigen Protestmarsch in Richtung La Paz durch.
Der Protestmarsch wurde in der Endphase abgebrochen, da die Regierung finanzielle
Unterstützung für Entwicklungsprojekte in den jeweiligen Regionen zusagte.
Die eigentlichen Forderungen nach mehr Autonomie wurden jedoch nicht berücksichtigt.
Am 6. Juli 2006 sollte
über dieses Vorhaben in einem Referendum abgestimmt werden. Als sich jedoch vor allem im Tiefland, auch
in der Provinz Beni, separatistische Bestrebungen regten, änderte der Präsident kurz vor dem Referendum
seine Meinung und rief seine Anhänger dazu auf, gegen diese Reform zu stimmen.
Auf nationaler Ebene, besonders im Altiplano, lehnte die Bevölkerung eine Ausweitung der Autonomierechte
für Provinzen ab.
Im Tiefland aber stimmten Santa Cruz, Beni, Pando und Tarija dafür und forderten die sofortige Umsetzung
der Autonomiegesetze. Der Präsident widersetzte sich diesem Wunsch – obwohl er selbst ein Gesetz unterzeichnet hatte,
welches besagte: "Provinzen mit einfacher Mehrheit für die Reform sollen direkt nach Verabschiedung
einer neuen Verfassung von den Autonomieregelungen profitieren." Damit war ein Großkonflikt, der eigentlich
in der Absicht erfolgte indigenen größere Rechte zu ermöglichen entstanden, der bis heute nicht gelöst ist
und auf viele Ebenen kaskadiert.
Schon bei der Diskussion um die verfassunggebende Versammlung, mit der das Land auf Druck der indigenen
Linken eine neue politische Grundlage schaffen wollte, stimmte Morales der Podemos-Partei des
ehemaligen Präsidenten Jorge Quiroga zu, dass die Verfassung mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen und
dann einem Volksentscheid unterzogen werden sollte. Damit sollte die politische Rechte eingebunden werden
. Doch wie auch in der Frage der Autonomiegesetzgebung, war es ein Mix aus demokratischem Engagement und
mangelnder politischer Erfahrung, die Morales dazu verleitete seine Kraft zu überschätzen. Denn mit 133 von
250 Parlamentssitzen machte er sich somit von der Zustimmung der Rechten abhängig.
Diese waren jedoch an keiner Form von "Konsens" interessiert. Am Ende boykottierte die Opposition
die verfassunggebende
Versammlung. Eigentlich hätte die neue Grundlage des Staates nach einem Jahr vorliegen sollen, nun brauchte
man
allein
schon acht
Monate dazu, sich auf ein Verfahren zu einigen.
Nach Ablauf eines Jahres musste das Mandat verlängert werden. Doch diesmal einigten sich die
Regierungspartei MAS und die Podemos darauf, dass die Verfassung „mit einfacher Mehrheit“ verabschiedet
werden kann. Das rief dann wiederum ultrarechte und Separatisten auf den Plan. Morales Rede unten spielt
sich in diesem Kontext ab, weshalb die Betonung der Verfassung, der Demokratie
und ihrer Organe
doch
etwas dramatisch ausfällt. St. Ana del Yacuma befindet sich im Departamento Beni.
In Sucre, wo die verfassungsgebende Versammlung stattfand, und in der Provinz Santa Cruz kam es aufgrund des
Parlamentsbeschlusses zu heftigen Unruhen. Ultrarechte Bürgerkomitees ohne demokratische Legitimität
störten die Arbeit der Delegierten. Die Versammlung musste am 23. November in eine Militärakademie flüchten.
Bei gewalttätigen Protesten in den Straßen von Sucre kamen drei Demonstranten ums Leben. Am 9. Dezember 2007
wurde schließlich in der Bergarbeiterstadt Oruro die neue Verfassung von mehr als zwei Dritteln der anwesenden
Delegierten, also von MAS und ihren Verbündeten, verabschiedet. Die Mehrheit versichert, dass alles rechtmäßig ablief.
Aufgrund einer nicht eingehaltenen Frist zur Einberufung blieb die Opposition bei der Abstimmung fern.
Dadurch erhielt eine Rechte mit einer autoritären Vergangenheit die Möglichkeit, sich als Demokraten
und an der Autonomie interessierte zu präsentieren. Insgesamt ist erstaunlich, wie mit Morales, der
immerhin einer sozialistischen Partei vorsitzt, erneut alle Faktoren, die Karl Marx im 18. Brumaire
beschrieben erneut zu besichtigen sind, in einer identitären Fassung. Die bürgerliche Demokratie sie ist
ein seltsames Geschöpf, weil sie
an die Kapitalinteressen gebunden ist, von denen sie sich praktisch nicht emanzipieren kann. Auf
nationaler Ebene allein ohnehin nicht. Am Ende kommt es dann meist, wie es kommen muss.
Die soziale Republik erschien als Phrase, als Prophezeiung an der Schwelle der Februarrevolution.
In den
Junitagen 1848 wurde sie im Blute des Pariser Proletariats erstickt, aber sie geht
in den folgenden Akten des Dramas als Gespenst um. Die demokratische Republik kündigte sich an. Sie verpufft am 13. Juni 1849 mit ihren davongelaufenen Kleinbürgern, aber im Fliehen wirft sie doppelt renommierende Reklamen hinter sich. Die parlamentarische Republik mit der Bourgeoisie bemächtigt sich der ganzen Bühne, sie lebt sich aus in der vollen Breite ihrer Existenz, aber der 2. Dezember 1851 begräbt sie unter dem Angstgeschrei der koalisierten Royalisten:
"Es lebe die Republik!"
(...)
Von den widersprechenden Forderungen dieser Situation gejagt, zugleich wie ein Taschenspieler in der
Notwendigkeit, durch beständige Überraschung die Augen des Publikums auf sich als den Ersatzmann Napoleons
gerichtet zu halten, also jeden Tag einen Staatsstreich en miniature zu verrichten, bringt Bonaparte die ganze bürgerliche
Wirtschaft in Wirrwarr, tastet alles an, was der Revolution von 1848 unantastbar schien, macht die einen
revolutionsgeduldig, die andern revolutionslustig und erzeugt die Anarchie selbst im Namen der Ordnung,
während er zugleich der ganzen Staatsmaschine den Heiligenschein abstreift, sie profaniert, sie zugleich ekelhaft und
lächerlich macht. Den Kultus des heiligen Rocks zu Trier wiederholt er zu Paris im Kultus des napoleonischen Kaisermantels.
Aber wenn der Kaisermantel endlich auf die Schultern des Louis Bonaparte fällt, wird das eherne Standbild Napoleons von der
Höhe der Vendôme-Säule herabstürzen.
Ein Andennapoleon wurde indes noch nicht gesichtet. Zurück in die Kolonien. ;)
Das Tiefland ist
reich an Weideflächen und besitzt eine vielschichtige Vegetation und Biosphäre. Es gehört schon zum
Amazonasbecken ist aber weniger von Urwäldern als von einer tropischen Feuchtsavanne geprägt. Zahlreiche
Flüsse durchziehen das Tiefland. Einer davon ist der Yacuma River, dem wir in unseren Shorts
folgen. Der Yacuma ist ein Zufluss und mündet nach vielen Schleifen in den großen Mamore einen Nebenfluss
des Amazonas
Regelmäßige große
Überschwemmungen bestimmen den
Jahreslauf.
Im Tiefland finden sich zahlreiche Völker, einige sind hinsichtlich ihrer Sprache und Identität vom
Aussterben bedroht, in der Region St. Ana ist besonders das Volk der Movima anzutreffen.
Die
politische
und
ökonomische Macht liegt bis
heute im Wesentlichen in den
Händen von spanischstämmigen Viehzüchtern, die aus ihrer strukturell konservativen Haltung keinen Hehl
machen. Diesen Strukturen begegnete die MAS in der Amtszeit Morales mit einigen Infrastrukturprojekten,
welche das Leben im Tiefland verbesserten. Damit wurde er auch dort zu einem mehr oder weniger
akzeptierten Präsidenten.
Kaum ein Land dieser Erde weist so unterschiedliche Zonen und
sozio-ökonomische Verhältnisse auf, wie Bolivien, was sich heute laut Verfassung als ein Staat der
vielen Völker versteht. Während das Hochland eine karge Hochebene ist, die Hauptstadt liegt auf über
4000 Metern, die bereits stark unter dem Klimawandel leidet, ist das
Tiefland eine fruchtbare und ergiebige Zone. Die Andengletscher tauen, in La Paz der Hauptstadt ist
extrem wenig Wasser vorhanden, seit der verschärften Gangart des Klimawandels ist es praktisch
ausgetrocknet und der Nachschub von den Gletschern versiegt mehr und mehr. Dort spannen Menschen
Plastikplanen auf, um aus dem Morgennebel Wasser zu kondensieren. Weiter hat Bolivien mit
dem großen Salzsee eines der reichsten Lithiumvorkommen der Erde, was unter Morales verstaatlicht wurde,
ebenso, wie die Zinnminen und andere Bergbauunternehmen.
Als Führer der Bewegung zum Sozialismus (Movimiento al Socialismo – MAS) und als Boliviens erster
indigener Präsident (2006-2019) wurde Morales weltweit durch seine charakteristischen buntgestrickten
Pullover bekannt, die nicht nur ein kulturelles Statement, sondern auch ein Symbol seiner Identität und
politischen Philosophie darstellten.
Diese mehr oder weniger kleidsamen Pullover, oft in lebhaften Farben und mit andinen Mustern versehen,
spiegeln seine tiefe Verwurzelung in der indigenen Kultur Boliviens wider und verstärkten die visuelle
und kulturspezifische Botschaft seiner politischen Führung.
Evo Morales nutzte bewusst seine
Kleidung
als politische Ausdrucksform, um Solidarität mit den indigenen Gemeinschaften zu demonstrieren
und sich von der westlich geprägten politischen Elite abzugrenzen. Ein Statement gegen dem
Neoliberalismus und Neokolonialismus.
Morales' Regierungszeit war eine Zeit des Wandels, in der er wichtige soziale Programme einführte, die
Armut reduzierte und die Rechte der indigenen Völker stärkte. Seine Politik war stark geprägt von einem
Ansatz der national zu Wertschöpfungsketten auszubauenden Rohstoffe, statt sie massenhaft und billig zu
exportieren. Insbesondere in Bezug auf die Gas-, Lithium- und Ölindustrie.
Morales' Amtszeit war jedoch auch von Kontroversen gezeichnet, s.o.. Darunter Anschuldigungen der
Korruption, Misswirtschaft und einem zunehmend autoritären Regierungssystem. Daneben kam Kritik von anderen Völkern
auf, die innerhalb Boliviens eine Vorherrschaft der Aymara kritisierten und mehr Aufmerksamkeit für die
Völker des Amazonasbeckens, des Tieflandes forderten.
Nach seinem umstrittenen Rücktritt im Jahr 2019 und der Flucht ins Ausland, kehrte Morales nach Bolivien
zurück,
nachdem seine Partei, die MAS, die Präsidentschaftswahlen 2020 gewonnen hatte.
Morales fordert eine Legalisierung des traditionellen Kokas, was ihm viel Unverständnis einbrachte. In
letzter Zeit aber, auch nach Gutachten der UN und nach den Friedensbemühungen in Kolumbien, scheint die Legalisierung
des Kokaanbaus, zumindest für traditionelle Zwecke, eine sinnvolle Maßnahme zu sein. Viele Staaten
Lateinamerikas und Mittelamerikas, wie Mexiko, stehen an der Schwelle zum gescheiterten Staat, weil die
Illegalität der Droge große Probleme verursacht. Die USA haben den "War on Drugs" aus guten Gründen
aufgegeben. Es wird Zeit auf höchster UN Ebene über die Zukunft der Kokapflanze zu sprechen. Im Ergebnis
sollte Südamerika von den offensichtlichen Problemen freigestellt werden, um eine reale
Entwicklungschance zu haben. Da ist die Legalisierung des traditionellen Kokablattes ein wichtiger Schritt.
Es folgt eine verkürzte und freie Übersetzung der langen Rede, die den deutschsprachigen Leser:innen in
erster Linie einen guten Eindruck der wichtigen Inhalte geben soll, welche der Präsident hier in seiner
Rede vorstellt.
Sehr geehrter Bürgermeister der Stadt Santa Ana del Yacuma, verehrte Stadträte, geschätzte
Interimsgouverneure des Departements Beni, geehrte Unter-Gouverneur dieser Region,
verehrte Bürgermeister, Stadträte und alle Gäste dieser Veranstaltung,
sowie Genosse Juan Quintal, Exekutivvertreter des Departements Beni für die Agentur,
und alle anwesenden Persönlichkeiten, einschließlich der Polizeibehörden, des Kommandanten der
Regionalpolizei und des Kommandanten der Streitkräfte, sowie ein ganz besonderer Gruss an alle schönen
Frauen des Departements Beni und aller Institutionen dieser Gemeinde.
Ich danke Ihnen zunächst für die Einladung, zu Ehren des 302. Jahrestages der Gründung der Stadt
teilzunehmen. Diese Jahrestage sind ein bedeutendes historisches Ereignis und symbolisieren
die lange Tradition und Verbundenheit der Bewohner und der ansässigen Volksgruppen mit Bolivien.
Im Namen der nationalen Regierung des plurinationalen Staates übermittle ich Ihnen herzliche
Glückwünsche zu diesem besonderen Anlass.
Wir befinden uns in einer Phase tiefgreifender sozialer, kultureller und struktureller
Veränderungen, jedoch immer im Rahmen der Demokratie.
Als gewählte Vertreter und
Behörden tragen Sie eine große Verantwortung für Ihre Gemeinde, Region und Abteilung.
Ich möchte betonen, dass die Demokratie gewinnt, wenn die gewählten Behörden eng an den
Bedürfnissen und Anliegen der Bürgerinnen und Bürger arbeiten.
Die Brücke über den Rapulo-Fluss, die Sie erwähnten, ist ein Beispiel für eine wichtige
Infrastrukturmaßnahme, die die Lebensqualität der Einwohner von Santa Ana del Yacuma verbessern wird.
Solche Projekte sind nur möglich durch die Zusammenarbeit zwischen den lokalen Behörden und
der nationalen Regierung.
Ich möchte Ihnen allen für Ihren Einsatz und Ihr Engagement danken und betonen, dass wir alle
Diener der bolivianischen Völker sind. Es ist unsere Pflicht, die Bedürfnisse und Anliegen unserer
Bürgerinnen und Bürger zu vertreten und zu unterstützen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Ihre harte Arbeit zugunsten Ihrer Gemeinde.
Die Flüsse zählen zu den wichtigsten Transport- und
Verbindungswegen von Waren und Menschen im regionalen und überregionalen Verkehr.
Dementsprechend sind sie in dieser Region für die Menschen eine
wichtige Orientierungs- und Landmarke. Damit dienen sie als natürliches Hindernis, das als
territoriale Grenzziehung herangezogen wird.
Für die Movima, damit die Region St. Ana sind es die folgenden
Flüsse, die eine hervorgehobene Bedeutung haben: der Rapulo, Apere, Mato, der Río
Maniqui, der Iruyañez, Omi und ganz besonders der Río Yacuma und der Río Mamoré.
In der Trockenzeit sinkt der Wasserpegel aller Flüsse dramatisch, nur der Yacuma und
der Mamoré bleiben in der Regel ganzjährig schiffbar.
Der Yacuma fließt von Westen nach Osten in ca. 3km Entfernung nord-westlich an Santa Ana
vorbei und mündet in den Río Mamoré. Santa Ana verfügt über zwei Häfen am Yacuma,
dem Puerto Junin und den Puerto San Lorenzo. Während der Regenzeit tritt der Río Yacuma über die
Ufer und der Hafen Puerto Junin ist überschwemmt. Mit den Booten und Schiffen kann
in dieser Zeit, zwischen Dezember und Mai, direkt an den Santa Ana umschließenden
Damm (Circumvalación) angelegt werden.
Die Mobilität von Menschen und der Transport von Waren hängt in erheblichen Maße von der
jeweiligen Jahreszeit ab. In der Regel wird frühestens im Mai eine erste Route über
Land zwischen Trinidad und Santa Ana befahrbar, die
schnellere und besser ausgebaute Nueva Carretera ist jedoch in der Regel nicht vor Ende
Juni, Anfang Juli nutzbar.
Insbesondere für die abgelegeneren Gebiete im Norden und Westen ist die Erreichbarkeit
über den Landweg noch wesentlich eingeschränkter, ihnen öffnet sich in der Regel nur in
der Trockenzeit ein Fenster von drei Monaten, Mitte-Ende Juli bis Anfang Oktober, in
der übrigen Zeit bleibt das Land nahezu unpassierbar für Automobile oder Motorräder.
Der Einsatz von Pferden und Ochsenkarren – die heute jedoch kaum noch eingesetzt werden –
ermöglicht es das enge Zeitfenster einige Wochen nach vorne und hinten zu verschieben.
Besonders abgeschieden in diesem Sinne sind die Comunidades im Norden, rund um die
großen Seen, wie Jaschaja, Campo Ana Maria und die Region im Westen mit den Comunidades
Cachuelita, Monte de Oro. Während die Comunidades im Westen, Cachuela, während der
Regenzeit den Río Maniqui als Transportweg nutzen können und im Austausch von Waren und
Kommunikation von der höheren Dichte an umliegenden Haciendas profitieren, kommt für die
Comunidades im Norden erschwerend hinzu, dass sie nicht an das Flusssystem angeschlossen sind.
Alleine in den Monaten August bis Oktober öffnet sich ein kurzes Fenster für den Landweg.
Um Santa Ana zu erreichen, steht die meiste Zeit des Jahres nur der Luftweg zur Verfügung. Ein
kostspieliger Weg, der nur selten oder im Notfall benutzt werden kann. Ebenfalls erschwert
wird ein regionaler Austausch aufgrund geringer Bewirtschaftungsdichte des
Landes und den damit verbundenen längeren und beschwerlicheren Wegen zwischen den
Comunidades und Haciendas. Der Grad der Selbstversorgung ist in diesen Comunidades
dementsprechend hoch. Die Comunitarios beklagen die fehlende Anbindung an
das Zentrum Santa Ana und dessen Märkte.
Zum einen können die landwirtschaftlichen Erzeugnisse nicht oder nur im nahen Umkreis
veräußert werden, zum anderen ist die medizinische Versorgung äußerst schwierig und
zum Teil gar nicht gewährleistet. Anders als vielleicht zu vermuten wäre, kann nicht
prinzipiell von einer höheren Mobilität, besseren Bewegungsfreiheit und Transportsicherheit
während der Trockenzeit ausgegangen werden. Entscheidend ist dabei immer die Frage, wer zu
welchem Zweck, mit welchen Mitteln ausgestattet und in welcher Region sich in welche Richtung, also mit
welchem Ziel, bewegen möchte. Sicher ist jedoch, dass je nach Jahreszeit und Region Wege,
Routen und Fortbewegungsmittel unterschiedliche sind. Während der Regenzeit, vor allem
in den Monaten Dezember bis April und zum Teil bis in den Mai hinein sind die Flüsse
die wichtigsten Verbindungswege. Auch die kleineren Flüsse, die sich in der Trockenzeit
in flache Bachläufe verwandeln, wie der Maniquisito und der Mato, führen dann genügend
Wasser, um sicher befahrbar zu sein.
In den Monaten großer Niederschläge sind zudem nicht nur die Flüsse selber navigierbar.
Es öffnen sich neue Routen, zum Teil kürzere Verbindungen, die durch Überschwemmungsgebiete
führen, zumindest für die kleineren Boote. Elementare Bedeutung
haben die Wasserwege so für den Transport landwirtschaftlicher Produkte von den
Comunidades und den Chacos auf die regionalen Märkte, vor allem nach Santa Ana.
Auch der Wasserweg ist mit nicht unerheblichen Kosten für Treibstoff verbunden, nur
wenige Boote werden heutzutage noch ausschließlich rudernd angetrieben. Diese sind natürlich im Transport
von Waren und Menschen aus den ländlichen Gebieten nach Santa Ana und zurück
wesentlich preiswerter.
Musik für unterwegs:
Um die Dimensionen zu verdeutlichen seien einige Beispiele an dieser Stelle angeführt.
Die comunidad San Jorge del Mapajo liegt kurz hinter der Mündung des Río Yacuma am Río Mamoré
und ist in der Regel ganzjährig über den Wasserweg zu erreichen. Über Land besteht in den
Monaten Juli bis September oder Oktober die Möglichkeit per Motorrad nach San Jorge del Mapajo
zu gelangen. Während die Wasserroute von Santa Ana aus zwischen 1,5 und 2,5 Stunden
flussabwärts und 2,5 bis 3,5 Stunden flussaufwärts beträgt, liegt die Fahrtzeit per Motorrad
unter einer Stunde. Die Erreichbarkeit von Santa Ana aus ist somit das ganze Jahr über
sehr gut gewährleistet. Nicht zuletzt ein Grund, warum am Lauf des Mamoré, die von der
Bevölkerung her zahlenmäßig größten Comunidades, zu finden sind.
Anders verhält es sich mit den Comunidades Cachuelita oder Monte de Oro,
im Süd-Westen von Santa Ana. Der Wasserweg führt von Santa Ana aus flussabwärts über
den Yacuma bis zur Mündung des Yacuma in den Mamoré, von da flussaufwärts bis zur
Mündung des Apere, dann den Apere entlang flussaufwärts bis zur Mündung des Maniqui
und diesen schließlich entlang bis Cachuelita. Die Fahrtzeit beträgt je nach Fracht,
Bordmotor und Fahrtrichtung zwischen drei und fünf Tagen und ist nur in den Monaten Dezember
bis April, abhängig vom Wasserstand der Flüsse, manchmal bis Mai befahrbar. In der
Trockenzeit kann die Comunidad mit dem Motorrad in vier bis sechs Stunden, abhängig
vom Zustand der Straße und Wege erreicht werden. Je weiter weg von Santa Ana, desto schlechter werden
die Wege, bis es sie zu Trampelpfaden von Rinderherden
werden. Nur äußerst selten, meistens nach der Patronatsfeier, wird
Cachuelita und die auf dem Weg liegende Comunidades mit einem LKW der Alcaldía
angefahren, um die Besucher der Feierlichkeiten und Materialien für die Schule und
andere Güter und Hilfsmittel zu überführen.
Die Fahrt mit dem Motorrad ist zwar kurz, dafür aber auch sehr kostspielig und für die
meisten Comunitarios kaum bezahlbar, zumal mit dem Motorrad kein Gepäck, geschweige
denn mehrere Personen und Waren transportiert werden können. Eine Mitfahrgelegenheit auf
einem Kleinlastwagen oder Jeep ist ebenfalls nur selten zu finden,
sodass die Regenzeit, trotz der langen Fahrtzeiten, die beste Zeit für Reise und Transport ist.
Wieder anders verhält es sich mit den Comunidades im Norden von Santa Ana, wie ’Jasschaja
oder Santa Isabel am oder in der Nähe vom Lago Ginebra oder Campo Ana Maria im Süden vom Lago Largo.
Die Region wird von einer Seenplatte mit großen Binnengewässern geprägt, ist aber ansonsten kaum an das
Flusssystem angeschlossen, welches Santa Ana mit dem Umland verbindet.
Wie oben beschrieben gehört diese Region der Provinz Yacuma zum Verwaltungsbezirk
Cayubaba. Santa Ana und nicht Exaltación ist auch hier der Dreh- und Angelpunkt,
in allen wichtigen Belangen der Orientierungspunkt und das Zentrum,
dem man sich zugehörig fühlt.
Die Erreichbarkeit dieser Region ist von
Santa Ana aus jedoch nur sehr eingeschränkt gewährleistet.
Da der Wasserweg ausscheidet, steht nur ein kleines Fenster von drei Monaten offen, in
denen Menschen und Waren über Land bewegt werden können. Nur von Ende Juli bis
Oktober sind die Landwege, die über eine ausgedehnte Pampa führen und in einem meist
sehr schlechten Zustand sind, mit kleinen Transportern oder Motorrädern passierbar.
In der übrigen Zeit des Jahres bleibt nur der Luftweg. Per Cessna ist ’Jasschaja in
einer halben Stunde von Santa Ana aus zu erreichen, mit einem Transporter müssen zehn
Stunden bis 1,5 Tage eingeplant werden.
Musik für unterwegs:
Ein letztes Beispiel stammt von einer Comunidad ganz im Süden der Provinz Yacuma,
dem in der Nähe von San Ignacio gelegenen Carmen del Mato. Obschon Santa Ana verwaltungstechnisch
auch für diesen Ort zuständig ist, orientieren sich die Bewohner wesentlich stärker
nach San Borja, einer Stadt von 20.000 Einwohnern, in der Provinz José Ballivián.
Ein nahe liegender Grund ist die Lage der Comunidad,
in der Nähe einer verhältnismäßig gut ausgebauten, ganzjährig befahrbaren Straße,
die San Ignacio und San Borja verbindet. Mit etwas Glück kann in fünf
Stunden San Borja erreicht werden.
Zunächst führt der Weg drei Stunden auf einem schmalen Pfad per
Pferd oder Reitochsen zur Transitstrecke zwischen San Borja und San Ignacio,
die auch von Bussen, LKWS, Viehtransportern und ähnlichem befahren werden kann
und dann per Autostopp in weniger als zwei Stunden nach San Borja. Trotz der auf
den ersten Blick gut erscheinenden Anbindung an regionale Märkte fehlt bisher ein
ausgebauter Weg von der Comunidad zur Straße, für kleinere Transporter. Größtes
Bestreben ist der Ausbau einer solchen Verbindung, da der Transport von
Waren und Menschen mit Pferden und Reitochsen nicht nur beschwerlich, sondern auch
kostspielig ist. Bewohner und Besucher müssen aus der Stadt kommend oder in die
Stadt wollend einen ’Abholdienst’ beziehungsweise ’Bringdienst’ von oder zur Straße
organisieren. Waren in größerer Menge oder Produkte aus der Comunidad können
so nicht oder nur in geringem Umfang transportiert und auf dem Markt gewinnbringend
verkauft werden.
Santa Ana selber ist, wie schon kurz angesprochen, in den Monaten Juni-Juli bis Oktober
über den Landweg und ganzjährig über den Wasserweg zu erreichen. Der Wasserweg
über den Río Yacuma und Río Mamoré ist vor allem als Transportweg unersetzlich für
Santa Ana. Die Verladung von Vieh, Treibstoff, Lebensmitteln und nahezu allem, was die
Stadt braucht, wird über den Mamoré aus Trinidad angeliefert. Der
Personenverkehr in die Hauptstadt des Departements und damit in das nächstgelegene
Zentrum von Santa Ana aus, ist dagegen in der Regenzeit stark eingeschränkt. Sechs bis
sieben Monate im Jahr steht der Landweg nicht zur Verfügung, sodass nur der Luftweg
bleibt. Cessnas 100 bedienen die Strecke mehrfach täglich, der Flug kostet jedoch
doppelt so viel, wie die Fahrt mit einem Transportunternehmen über Land. Aber schon
der Preis des Transporters oder Jeeps ist im nationalen Vergleich des Personenverkehrs sehr hoch.
Für die ärmere Bevölkerung sind Flüge generell nur schwer oder gar nicht zu finanzieren. Der
lange, beschwerliche und ebenfalls kostspielige Wasserweg mit Transportschiffen scheint
keine Alternative zu sein, da diese Verbindung kaum genutzt wird. In der Trockenzeit,
vor allem in den Monaten Juli bis Oktober ist dann die Nueva Carretera der wichtigste
Verbindungsweg für den Personenverkehr und wird nicht nur von der ärmeren Bevölkerung
intensiv genutzt. Ein geländegängiger Jeep oder Transporter kann die Strecke zwischen
Santa Ana und Trinidad mittlerweile – die Straße wird jedes Jahr weiter ausgebaut und
durch Aufschüttungsarbeiten und den Bau von Wasser-Abflusssystemen stabilisiert – in
vier Stunden zurücklegen.Da Reisen, egal ob über Wasser oder über Land in dieser
Region und fast im ganzen
Beni meist als schwierig, beschwerlich, nicht ungefährlich und
langwierig erfahren wird, bedeutet die Anbindung über die Nueva Carretera immer mehr.
Sie ersetzt auch bei
den Wohlhabenderen zunehmend die Cessnas.
Im Jahr 1976 beklagte Jürgen Riester noch die Geringschätzung, die der Anthropologie
in Bolivien entgegengebracht wird und das Fehlen anthropologischer Studien in den
Bibliotheken der Universitäten. Insbesondere die indigene und marginalisierte Bevölke-
rung im Tiefland Boliviens, so Riester, sei bis dahin von der bolivianischen Gesellschaft
kaum wahrgenommen und wenn, dann als Menschen zweiter Klasse behandelt worden
(Riester 1976: 9-10). Auch Ana María Lema Garrett fragt 1998 kritisch, wer vor 20 Jahren
schon wusste, das Bolivien ein amazonisches Land ist und resümiert, dass zu dieser
Zeit die Departements Beni und Pando als nahezu menschenleere Wildnis imaginiert
wurden: «En esos tiempos, los departamentos del Beni y de Pando eran considerados
como la trastienda del país, con el cliché de un reservorio de recursos naturales, sin gente
o con algunos pobladores fuera del tiempo» (Lema Garrett 1998: 7). Diese Situation
änderte sich bis in die 1990er Jahre hinein schlagartig. Zahlreiche Studien über indigen
definierte Gruppen im Tiefland erschienen. Zu nennen sind hier beispielsweise Arbeiten
der Nichtregierungsorganisation APCOB, die unter anderem sozio-kulturelle Beschreibun-
gen einzelner indigener Gruppen in der Reihe „Pueblos Indígenas de las Tierras Bajas
de Bolivia“ herausbrachte, vor allem zu Guaraní, Chiquitano, Chimane und Ayoreode
(Riester 1976; Riester 1993; Krekeler 1993; Heijdra 1996). Zu nennen sind vor allem auch
die stärker soziologisch ausgerichteten Arbeiten von Zulema Lehm Ardaya, unter anderem
zu sozialen Bewegungen, Konflikten und Rückforderungen von Land (Lehm Ardaya 1991;
Lehm Ardaya 1999; Lehm Ardaya 1993) oder CIDOB zur Geschichte der Protestmärsche
(CIDOB und APCOB 1996), Albert de Vries zur Situation von Land und Terrirorium
der indigen definierten Bevölkerung im Tiefland (Vries 1998) oder Arnaldo Lijerón Ca-
sanovas zur Geschichte der bolivianischen Amazonasregion (Lijerón Casanovas 1998),
um nur einige wenige Beispiele an dieser Stelle zu benennen. Während bis in die 1980er
Jahre hinein deutlich die Anthropologisierung und Folklorisierung indigen definierter
Gruppen im Tiefland Boliviens in Gesellschaft und Wissenschaft vorherrschte, so diese
überhaupt zum Thema gemacht wurden, erschienen spätestens ab den 1990er Jahren
zunehmend Arbeiten mit einer soziologischen und sozio-politischen Schwerpunktsetzung
(Molina Argandoña et al. 2008a: 30).
Esta marcha hace posible
Themen waren nun die Anerkennung territorialer
und staatsbürgerlicher Rechte einer indigen definierten Bevölkerung, die Verbindung von
Umweltschutz und Menschenrechtsfragen, der Umgang mit nachwachsenden Rohstoffen,
der Erhalt der kulturellen Vielfalt, die sozio-ökonomische Reproduktion, soziale Struktu-
ren der Ungleichheit oder auch Kommunikations- und Organisationsstrukturen. Viele
dieser Arbeiten entstanden in Zusammenarbeit mit oder im Auftrag von Nichtregierungs-
organisationen, wie APCOB oder CIDDEBENI. Die Frage nach der Konstruktion sich
vielschichtig überlagernder sozialer, regionaler oder urbaner Identitäten wurde zu diesem
Zeitpunkt nur sehr vereinzelt berücksichtigt, vielmehr stand die Bestandsaufnahme und
Klassifizierung ethnisch definierter Gruppen im Vordergrund des Interesses und der
praktischen Notwendigkeit (vgl. Molina Argandoña et al. 2008a: 26).
Die Thematisierung und Evaluierung indigen definierter Gruppen des Tieflandes ging
Hand in Hand mit der Formierung sich ethnisch definierender Organisationen seit den
1980er Jahren in den Departements Santa Cruz, Beni und Pando. Die Herausbildung von
Organisationsstrukturen, die Vernetzung der Akteure und die inhaltliche Ausrichtung
der Bewegung wurde im Tiefland wesentlich durchgreifender als im Hochland von Anfang
an von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) maßgeblich begleitet und entscheidend
mitgestaltet.
„If CSUTCB was born in the world of the political and social left, CIDOB
was born in the world of NGOs and international development organizations“ (Lucero
2008: 91), so José Antonio Lucero.
Die Nichtregierungsorganisation APCOB nahm im
Aus- und Aufbau der ersten regionalen Netzwerke indigen definierter Gruppen, die von
der Capitanía Izozog im Chaco ausgingen und in der Gründung von CIDOB (Central
Indígena de Pueblos y Comunidades Indígenas del Oriente Boliviano) mündeten, in den
1970er Jahren eine Schlüsselrolle ein, organisierte Workshops, öffnete Kommunikations-
kanäle zwischen den Akteuren und zu nationalen und internationalen Stellen, stellte eine
Infrastruktur zur Verfügung und trug mit den wissenschaftlichen Arbeiten zu einer inhalt-
lichen Ausrichtung und Bestimmung der Bewegung bei (vgl. Yashar 2005: 200-101).
Die
Gründung von CIDOB als Dachverband sich indigen definierender Akteure im Tiefland. Die
Nichtregierungsorganisationen PIEB (Programa de Investigación Estratégica en Bolivia) und
Fundación UNIR brachten in jüngster Zeit einige Studien zur sozialen Konstituierung lokaler und
regionaler Identitäten heraus, wie die hier bereits mehrfach zitierte Arbeit von Wilder Molina Argandoña
und Anderen zu Gesellschaft und Kultur der Amazonasregion Boliviens und der Thematisierung sich
überschneidender und in einer Beziehung stehender Identitäten, wie einer nationalen, regionalen, lokalen
oder ethnischen (siehe Molina Argandoña et al. 2008a und in einer etwas anderen Zusammenstellung
Molina Argandoña et al. 2008b; siehe auch Molina Argandoña und Soleto Selum 2002). Explizit die
politische Konstruktion von Identität im Hochland Boliviens thematisiert eine von der Fundación UNIR
herausgebrachte Studie aus dem Jahr 2009 (Arnold 2009). Die Autoren hinterfragen kritisch gängige
Essentialismen eines „Hochland-Indigen-Seins“, wie Reziprozität, dem Dualismus von Mann und Frau
als Partnerschaftsideal (chachawarmi) und einer K
osmovision, basierend auf dem Prinzip
des vivir bien
(Arnold 2009: 25).
CIDOB weitete in den folgenden Jahren die Aktivitäten auf andere Regionen im Tiefland
aus und war an der Herausbildung von Organisationsstrukturen im Beni maßgeblich
beteiligt (Lehm Ardaya 1999: 100). Von Anfang an aktiv begleitet und gefördert wurde die
Formierung indigen definierter Organisationseinheiten auch hier von NGOs, insbesondere
von CIDDEBENI (Centro de Investigación y Documentación para el Desarrollo del
Beni), von kirchlichen Einrichtungen wie der Pastoral Indígena des apostolischen
Vikariats des Beni mit Sitz in Trinidad sowie von staatlichen Institutionen wie dem
Servicio Nacional de Educación Popular (SENALEP) (Lehm Ardaya 1999: 100). Der
Aufbau von Organisationseinheiten verlief in diesem Fall ausgehend von einem urbanen
Kontext zunächst über eine Rekonstituierung der Cabildos Indigenales von Trindidad
und benachbarter Gemeinden. 1987 mündeten diese Aktivitäten in der Gründung der
Central de Cabildos Indigenales Mojeños (CCIM), die wiederum den Aufbau lokaler
politischer Strukturen einer indigen definierten Bevölkerung in anderen Gemeinden
unterstützte, so dass Subcentrales in San Javier, San Ignacio, San Lorenzo, San Franzisko
und 1988 für die comunidades des Nationalparks Isiboro-Sécure ins Leben gerufen wurden
(Lehm Ardaya 1999: 100). Aus der CCIM ging im Jahr 1989 auf dem ersten Kongress der
Cabildos Indigenales y Pueblos Nativos del Beni schließlich die CPIB (Central de Pueblos
Indígenas del Beni) als Dachorganisation indigen definierter Gruppen im Beni hervor
(Lehm Ardaya 1999: 102).
Auf dem Kongress wurde nicht nur die CPIB gegründet,
sondern der Entschluss zu einem öffentlichen Protestmarsch gefasst, der einige Monte
später konkretisiert und schließlich realisiert wurde (Suárez 2002: 75). Der erste Marsch
vom Tiefland Richtung La Paz im Jahr 1990, der Marcha Indígena por el Territorio y la
Dignidad, ist nicht nur als ein symbolträchtiges Ereignis zu verstehen, sondern vielmehr als
vorläufiger Höhepunkt eines Prozesses, der mit dem Aufbau von Organisationsstrukturen
seit den 1980er Jahren neue soziale Akteure im Tiefland hervorbrachte und der mit einem Wandel der öffentlichen und politischen Wahrnehmung der indigen definierten
Bevölkerung der Tieflandregionen einherging (vgl. Molina Argandoña et al. 2008a: 28).
Die Gründung von CIDOB ging aus einer Versammlung von Vertreter/-innen der Guaraní-Izoceño,
Chiquitano, Ayoreo und Guarayo hervor (CIDOB 2008: 17), die später eigenständige Organisationen
gründeten, dabei aber aktive Mitglieder von CIDOB als indigener Konföderation blieben (siehe CIDOB
2008: 22). Mit Ausdehnung der Aktivitäten in die Amazonasregion hinein und zunehmender politischer
Verankerung in weiten Teilen des bolivianischen Tieflandes änderte CIDOB den eigenen Namen in
Confederación Indígena del Oriente, Chaco y Amazonía de Bolivia. Der Konföderation sind heute
zahlreiche lokale und regionale Organisationen angeschlossen. Nach eigenen Aussagen ist die CIDOB
damit bei 34 indigen definierten Völkern im Tiefland verankert (CIDOB 2008: 18).
CIDDEBENI wurde 1984 in Trinidad mit dem Ziel die regionale Entwicklung zu fördern gegründet.
Zunächst standen ökonomische Fragen und die Nutzung nachwachsender Rohstoffe, vor allem Wald, im
Mittelpunkt von Studien und Seminare. Ab 1987 verlagerte sich die Ausrichtung von CIDDEBENI,
nun stand die Unterstützung indigen definierter Gruppen in der Anerkennung territorialer Rechte im
Vordergrund des Interesses.
Der CPIB sind heute 20 Subcentrales im Departement Beni angeschlossen, darunter auch die Subcentral
de Pueblos Indígenas Movimas. Im Jahr 2002 spaltete sich die Organisation aufgrund politischer
Auseinandersetzungen und Führungsstreitigkeiten in CPIB und CPEMB (Central de Pueblos Étnicos
Mojeños del Beni.
Erinnert wird der Protestmarsch von Seiten der Akteure insbesondere als eine erfolg-
reiche öffentliche Manifestation gegen Ausgrenzung und Nichtbeachtung der „indigenen
Völker“ im Tiefland Boliviens, als ein erstes Vordringen der indigen definierten Bevöl-
kerung in das gesellschaftliche Gefüge des Landes:
«Esta marcha también logra que la
sociedad en su conjunto reconozca la existencia de los Pueblos Indígenas, y ponga en la
agenda pública la realidad de nuestros pueblos postergados e ignorados en el desarrollo
del país» (CIDOB 2008: 13).
Der Protest soll damit vor allem mit dem „Mythos der
leeren Wälder“ aufgeräumt und gezeigt haben, dass dort Menschen leben, keine Barbaren
oder Wilde, sondern politische Akteure, die eine neue politische Kultur geschaffen haben:
El discurso de los indígenas puso especial atención en desplazar una serie de equiva-
lencias referidas a lo indígena que mantenían en los contenidos de la cultura política
del Estado, por ejemplo el indígena como parte del pasado, como traba del desarrollo,
como salvaje e individuo menor de edad, y por tanto un no ciudadano. Contra el
„mito de los bosques vacíos“ el movimiento indígena a través de la marcha cumple
también una función expresiva y busca demostrar „en carne propia“ que sus miembros
existen y que los bosques siguen ocupados por comunidades de diferentes pueblos
indígenas. (Molina Argandoña et al. 2008a: 122)
Der Marsch wird als der zentrale Wendepunkt in der politischen Ausrichtung des Landes
gegenüber der bis dahin marginalisierten Bevölkerung begriffen, die mit dem Marsch ihre
Rechte als bolivianische Staatsbürger einforderten (Suárez 2002: 87). Und tatsächlich
folgten in den 1990er Jahren eine Reihe staatlicher Reformen, die spezifische Rechte
einer indigen definierten Bevölkerung zugestanden und auf einer multikulturellen Neuaus-
richtung des Staates zielten.
An dieser Stelle muss gefragt werden, warum eine ethnische Kategorisierung von den
verschiedenen an diesem Prozess beteiligten Akteure von Anfang an gewählt wurde?
Das was heute als eine scheinbar natürlich vorgegebene Entwicklung erscheint, nämlich
dass die soziale Bewegung im Tiefland von vornherein in Selbst- und Fremdzuschreibung
ethnisch definiert wurde und sich über eine bestimmte Definition von Indigen-Sein
organisierte und daraus weitere Forderungen ableitete, war kein zwangsläufiger Prozess.
In dieser Arbeit kann nicht im Detail auf die Entwicklung der sozialen Bewegungen im Tiefland
eingegangen werden, auch nicht auf Fraktionskämpfe und widerstreitende Positionierungen, die den
Prozess von Anfang an ebenfalls begleitet haben und bis heute begleiten (siehe dazu Ávila Montaño
2009: 56-61). Weiterführende Darstellungen zu Entwicklung und Aufbau von Organisationsstrukturen
im Tiefland von Bolivien und der Rolle von Nichtregierungsorganisationen bei diesem Prozess sowie
vergleichende Hintergrundanalysen bieten unter anderem die bereits zitierten Arbeiten von José Antonio
Lucero (2008) und Deborah J. Yashar (2005). Insbesondere die Verbindung neoliberaler Politik mit
einem staatlich geförderten Multikulturalismus und die Auswirkungen dieser Politik auf den Ein- und
Ausschluss bestimmter Akteure sowie die Rolle von NGOs in diesem Prozess beschreibt Nancy Postero
am Beispiel von Guaraní in Santa Cruz de la Sierra (Postero 2007).
In den Departements Beni und Pando existierten bis zur Gründung der CCIM beispielhaft
keine ethnisch definierten Organisationen, die ein ganzes Volk oder ein Volk und ein
Territorium repräsentiert und daraus Forderungen gegenüber dem Staat abgeleitet hätten
(Molina Argandoña et al. 2008a: 115). Bestehende Organisationsstrukturen, wie die
Cabildos Indigenales, waren vielmehr auf die lokale, nach innen gerichtete und örtlich
spezifische Reproduktion von Gemeinschaft ausgerichtet und sind es vielfach immer noch,
wie auch im Falle des Cabildo Indigenal Movima. Das Cabildo Indigenal Movima vertritt
auch heute noch die Interessen der indigen definierten Bevölkerung von Santa Ana del
Yacuma und sich dem Zentrum zugehörig zählender Dörfer und nicht ein ortsunabhängiges
ethnisches Konzept von „Indigen-Sein“.
Ein in erster Linie ortsgebundenes Konzept von
Identität ist typisch für viele Regionen im Beni, insbesondere auch für die ehemaligen
Jesuitenmissionen. Die Kategorie „Movima“ kann in diesem Zusammenhang sowohl auf
den Ort Santa Ana del Yacuma und die Bevölkerung von Santa Ana insgesamt verweisen,
als auch auf „Indigen-Sein“. Der Ausspruch „Ich bin Movima“ verweist insofern einmal
auf eine örtlich und einmal auf eine ethnisch definierte Herkunft und bedeutet: „Ich
stamme aus Santa Ana del Yacuma und Umgebung ab“ oder „Ich stamme aus Santa
Ana del Yacuma ab und bin indigen“. Dieser Befund lässt sich auf andere Orte wie
San Joaquín oder San Ignacio übertragen, wo eine ortsgebundene Identität über die
Bezeichnungen joaquiniano oder iganciano zum Ausdruck gebracht wird (siehe dazu
Molina Argandoña und Soleto Selum 2002: 121).
Molina Argandoña und Soleto Selum
zeigen in dieser Studie außerdem, dass bis in die 1990er Jahren in San Ignacio und San
Joaquín eine ethnische markierte Identität nicht artikuliert wurde und von „indigenen
Völkern“ nicht die Rede war, weder in den urbanen Zentren noch im ländlichen Raum
(Molina Argandoña und Soleto Selum 2002: 70, 122). Kurz nach dem Marsch auf La Paz
war dann jedoch von einem „pueblo indígena joaquiniano“ die Rede (Molina Argandoña
et al. 2008a: 125). Eine andere Studie zeigt die Wiederentdeckung der ethnischen Kategorie
„Takana“ im Nordosten Boliviens ebenfalls in den 1990er Jahren im Zuge der Gründung
einer indigen definierten Dachorganisation der Region, der Central Indígena de la Región
Amazónica Bolivia (CIRABO) und der nationalen Anerkennung indigener Rechte (Herrera
et al. 2004). Ganze Dorfgemeinschaften erklärten sich 1996 zu comunidades indígenas
tacanas (Herrera et al. 2004: 52). Der Beitritt zur CIRABO und die Selbstdefinition
als indigene Gemeinschaften eröffnete den Akteuren in diesem Moment zum einen die
Möglichkeit als politische Akteure in der Region aufzutreten und zum anderen die
Landfrage neu zu verhandeln (Herrera et al. 2004: 56). Ein kategorialer Wandel der
Selbst- und Fremddefinition vom campesino zum indígena und in diesem speziellen Fall
zum takana hat stattgefunden (Herrera et al. 2004: 53).
Dieser Prozess kann unterschiedlich analysiert werden, entweder als eine Form der
Ethnisierung des Politischen und der Konstruktion kollektiver Identitäten auf Basis
ethnischer Markierungen in einem politischen Feld oder als ein Prozess der Rückbesin-
nung indigener Völker auf ihre „echten Wurzeln“, auf ein immer schon dagewesenes
und nur durch die Kategorie campesino überlagertes „Indigen-Sein“, das nun unter
geänderten gesellschaftlichen Bedingungen auf Anerkennung und Rückgewinnung der
eigenen kulturellen Werte drängt.
Die letztgenannte Interpretation ist im Rahmen der
Dekolonialisierungsdiskurse von Staat und Gesellschaft in Bolivien heute die gängige
Lesart. Vernachlässigt wird dabei jedoch die strukturelle Proliferation eines universellen
„Indigen-Seins“ durch die verschiedenen an dem Prozess beteiligten Akteure und
Diskurse. Die Politisierung kollektiver Identitäten über eine ethnische Klassifikation
führte zu einer Instituionalisierung des Indigenen als einer universalen Kategorie, die in
diesem Prozess neu definiert wurde (vgl. Molina Argandoña et al. 2008a: 29). Wilder
Molina Argandoña und Andere weisen darauf hin, dass Begriffe wie „indigen“, „indigenes
Volk“ oder „indigenes Territorium“ als Teil eines politischen Kampfes zu verstehen sind,
bei dem es auch um die Umdeutung einst negativ besetzter sozialer Klassifikationen
wie „Barbaren“ oder „Waldmenschen“ geht (Molina Argandoña et al. 2008a: 29). An
der Neudefinition des „Indigene“ waren die oben erwähnten externen Expert/-innen
maßgeblich beteiligt,
deren Studien als Vorlage offizieller Dokumente über die soziale,
kulturelle und territoriale Situation ethnisch abgegrenzter kollektiver Einheiten dienten
(Molina Argandoña et al. 2008a: 31).
Die Durchsetzung partikularer Interessen und
Grenzziehungen sowie die Repräsentation und Essentialisierung kollektiver Identitäten
fand über einen globalen Metabegriff von „Indigen-Sein“ statt. Dieser globale Begriff von
„Indigen-Sein“ baut im Tiefland in erster Linie auf das Konzept des „Territoriums“ auf.
Territorium bedeutet in diesem Zusammenhang nicht einfach Landbesitz. Das Konzept
enthält vielmehr eine umfassende politische, soziale und kulturelle Definition des Raumes.
Zu den zentralen Elementen dieses Raumes gehören Autonomie, alternative Entwicklungs-
und Bewirtschaftungstrategien sowie der Schutz der natürlichen Umwelt (vgl. Lucero
2008: 92). Die Schaffung von autonomen territorialen Einheiten für indigen definierte
Gruppen war seit der Grüdnung von CIDOB im Jahr 1982 deren erklärtes und oberstes
Ziel und prägte den weiteren Aufbau von Organisationsstrukturen innerhalb der indigen
definierten Bevölkerung im Tiefland wie kein anderes Thema.
Der erste Marcha Indígena stand so auch ganz unter dem Zeichen dieses Themas.
Konkret ging es um die Durchsetzung territorialer Rechte der indigen definierten Bevöl-
kerung dreier Regionen im Departement Beni. CPIB und CIDOB sahen nach eigenen
Aussagen mehr als 10.000 Mitglieder verschiedener „ethnischer Gruppen“ im Nationalpark
Isiboro-Sécure, im Bosque de Chimanes und in El Ibiato bedroht, ihr Land und damit
ihre Identität und Kultur zu verlieren (CIDOB und APCOB 1996: 4).
Hintergrund der
Protestbewegung war der zunehmende Druck auf die lokale Bevölkerung durch kom-
merzielle Holzfäller im sogenannten „Wald der Chimane“ und durch die Ausdehnung
der Rinderzucht im Gebiet der Sironó. Im Nationalpark Isiboro-Sécure richtete sich
der Widerstand der einheimischen Bevölkerung vor allem gegen eine Zuwanderung von
Kokabauern aus dem Hochland, den sogenannten colonos. Vor allem der „Wald der
Chimane“ spielte in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle und verweist auf den
großen Einfluss, den globale Diskurse über internationale Entwicklungshilfeprogramme
und Umweltverbände zum Schutz des Amazonas auf die sich seit den 1980er Jahren um
ethnische Markierungen definierende soziale Bewegung im Tiefland von Bolivien genom-
men haben. Mit „Wald der Chimane“ ist ein subtropisches Wald- und Savannengebiet
im Südwesten des Departements Beni in der Nähe der Ortschaften San Borja und San
Ignacio bezeichnet. Die indigen definierte Bevölkerung dieses Gebietes wird den Chimane,
Yuracaré, Mojeños und Movima zugeordnet. Besonders wertvolle Baumbestände machen
den Wald für die kommerzielle Nutzung durch Holzfäller interessant. 1978 wurde das
Gebiet zunächst durch den Staat unter Schutz gestellt und 1982 wurde ein Teilgebiet
im Norden durch die UNESCO zum Biosphärenreservat ernannt. Starke Lobbyarbeit
durch die Holzindustrie wird dafür verantwortlich gemacht, dass der Staat 1986 große
Waldgebiete zur produktiven Zone erklärte und damit für den kommerziellen Holzabbau
frei gab (Lehm Ardaya et al. 1993). Schnell kam es zu Konflikten zwischen der indigen
definierten Bevölkerung des Gebietes, Holzfällern und weiteren zivilen Akteuren mit einem
Interesse in diesem Konflikt. Zwischen 1987 und 1988 wurden die ersten Gesuche zur
juristischen Anerkennung bestimmter Gebiete als indigene Territorien in dieser Region an
den Staat gestellt. Den Gesuchen folgten die ersten offiziellen Studien, die der Evaluierung
der sozio-ökonomischen Situation in der Region und Festlegung möglicher territorialer
Grenzen dienen sollten. Die Studien begannen im „Wald der Chimane“ und wurden in der
folgenden Zeit auf die Region Isiboro-Sécure und ab 1989 auf das Gebiet El Ibiato ausge-
weitet (Navia Ribera 2003: 24). Die Studien wurden von staatlichen Stellen durchgeführt
und maßgeblich von CPIB, NGOs wie CIDDEBENI, Umweltverbänden und kirchlichen
Einrichtungen begleitet (Navia Ribera 2003: 18-20). Nach dem Protestmarsch im Jahr
1990, der die erste juristische Anerkennung bestimmter Gebiete als indigene Territorien
durch den Staat erreichte, nahmen die Aktivitäten im amazonischen Tiefland rund um
die Frage nach territorialer Selbstbestimmung der indigen definierten Bevölkerung und
kultureller Revitalisierung ebenfalls als indigen definierter Wissenssysteme noch einmal
drastisch zu. Neben einer Bereicherung des Wissens über bestimmte Regionen, haben die
Studien ganz praktische Funktionen und Effekte im politische Felde gehabt. Auf der einen
Seite haben sie die Forderungen der indigen definierten Akteure nach Territorium im Beni
und später auch im Pando argumentativ untermauert. Auf der anderen Seite nahmen
sie Einfluss auf die Verankerung eines neuen Typus von Landbesitz, dem sogenannten
„ursprünglichen Gemeinschaftslandes“ (sp. Tierra Comunitaria de Origen oder abgekürzt
TCO), das mit der Agrarreform im Jahr 1996 und dem neuen Ley INRA juristisch
verankert wurde (Molina Argandoña et al. 2008a: 26).
Die juristische Legitimierung
indigen definierten Gemeinschaftslandes erhöhte zum einen die Gesuche, die an den Staat
zur Anerkennung indigen definierter Territorien gestellt wurden, legte zum anderen aber
auch den Weg, der zur Anerkennung führt, normativ fest. Ein zentraler Bestandteil in
dem Prozess der Anerkennung von Gebieten als ursprüngliches Gemeinschaftslandes ist
die Evaluierung der zur Disposition stehenden Gebiete durch staatliche Stellen und die
Erhebung sogenannter „räumlicher Bedürfnisse“ (sp. necesidades espaciales) der indigen
definierten Bevölkerung der Gebiete und der Festlegung der territorialen Grenzen. Nicht
nur die Anzahl diagnostischer Studien nahmen nach der Agrarreform von 1996 noch
einmal drastisch zu, vor allem verliefen diese Studien seitdem nach einem einheitlichen
Muster, dem eine normative Festschreibung von „Indigen-Sein“ zugrunde liegt.
E-Herra!!! Este proceso se inició en 1990 y se formalizó en los años siguientes con las
promulgaciones de las leyes de Participación Popular (1994) de Reforma Educativa (1995),
y del Servicio Nacional de Reforma Agraria (1996 la realización del trabajo de campo
del Primer Censo Indígena Rural de Tierras Bajas (CIRTB) en el año 1994. Esta tarea
financiada por la cooperación sueca, organizada por el Instituto Nacional de Estadística
(INE), la Subsecretaría de Asuntos Étnicos (SAE), el Programa de la Naciones Unidas
para el Desarrollo (PNUD) y avalada por CIDOB uno de los primeros avances de las
negociaciones entre las organizaciones indígenas y el Estado, luego de la apertura del
gobierno de 1993 al tema indígena.
Verfassung und normative Festlegungen des Indigen-Seins DAZU vor allem
Debatte um Multikulturellem Neoliberalismus aufgreifen, die Institutionalsiierung des
Indigenen und die Schaffung „gezähmter Indianer“ und eines "Regime of Representations."
Es lässt sich die Konstruktion eines universalisierten-ökologischen "Indigen-Seins" als eine aus unterschiedli-
chen Quellen gespeiste Narration von realem "Indigen-Sein" verstehen. Viele dieser Quellen stammen aus dem
Kolonialismus und reflktieren eine paradisische Vorstellung von "Indigen-Sein", die schon zur Wende
vom 19. zum 20. Jahrhundert eine
Reflexion der Weißen auf die
Industrialisierung
ihrer
eigenen
Länder
war.
Territoriale Rechte und kulturelle Revitalisierung Land, Identität, Kultur ergibt die
Forderung nach Territorium als einzig machbare Losung.
Was nicht bedeuten soll, dass die lokalen Akteure passive Statisten waren (vgl. Yashar
2005). Was allerdings ein Grund sein kann, warum die Anthropologisierung nie überwun-
den wurde und ein ethno-ökologische Ideologie entwickelt wurde.
Noch einmal betont werden muss, dass im Tiefland der Einfluss externer Fachkräfte
beim Aufbau der Organisationsstrukturen indigen definierter Akteure ein maßgeblicher
Faktor war. Damit soll nicht gesagt werden, dass die lokalen Akteure sich blind einer
Fremdbestimmung hingegeben und keine eigenen Führungspersönlichkeiten hervorgebracht
sich Handlungsräume erschlossen hätten. Auch die Gefahr der Manipulation
wurde durchaus gesehen (Ströbele-Gregor et al. 1994: 119). Das Fehlen materieller Res-
sourcen, Armut, eine fehlende Infrastruktur und Kommunikationsmöglichkeiten zwischen
urbanen Zentren und abgelegenen schwer zugänglichen Regionen im Tiefland, ein geringer
Grad der Alphabetisierung auf dem Lande, tiefgreifende strukturelle Ungleichheiten,
fehlende Erfahrungen Forderungen in der politischen Arena zu formulieren, zu verhandeln
und erfolgreich durchzusetzen sind nur einige der Schwierigkeiten, die einen Organisations-
aufbau innerhalb der subalternen Bevölkerung ohne finanzielle, logistische und inhaltliche
Unterstützung von Außen deutlich erschwert hätten, zumindest zu diesem Zeitpunkt. Wie
Juliana Ströbele-Gregor und Andere treffend feststellen, wurden die wichtigen ethnisch
definierten Organisationen im Tiefland durch den Einfluss von Kirchenvertretern und
Anthropologen „erschaffen“ oder auf den Weg gebracht, was als Konsequenz eine explizite
und eine implizite Abhängigkeit bedeutet (Ströbele-Gregor et al. 1994: 119).
Prinzipielle Merkmale der indigenen Völker im Tiefland Diéz Astete und Murillo
(Díez Astete und Murillo 1998) und
eine aktuelle Arbeit dazu (Díez Astete 2011) Dann Ana
María Lema Garrett, Beschriebung der „Völker“ (Lema Garrett 1998) Heute liegen für alle
in der Verfassung festgeschriebenen „indigene Gruppen“ zumindest Kurzbeschreibungen
vor.
Ethnizität wird auch folgendermaßen definiert, in erster
Linie räumlich:
«La etnicidad es la identidad cultural y social étnica sentida y conservada por un
pueblo, o conjunto de pueblos, o por sus miembros, sean nativos o no del pueblo
de que se trata, y sea por pertenencia natural o por adscripción psicológica e
histórica. Etnicidad es el grado de identidad reproductiva de una etnia o pueblo
indígena, sobre la base del mantenimiento de su hábitat originario, el territorio, y
la cohesión y solidaridad del grupo en torno a sus raíces como la lengua materna,
la memoria colectiva (creencias, usos y costumbres) y la valoración de una historia
propia (Díez Astete 2011: 37).
Zwar wird von sozio-kultureller Identiät gesprochen, dennoch wird von festen Einheiten
ausgegangen, die mit Territorium auf das Engste verbunden werden. Ecoregiones
und Etnoregiones bezüglich der TCOs werden definiert.
«Esta correlación de las etnias con sus hábitat así consignados permiterá comprender la
parte de la identidad étnica o etnicidad de los pueblos indígenas, que está relativamente
consustanciada con el medio ambiente y el uso de los recursos naturales» (Díez Astete
2011: 102)
Von daher wird indigene Identität nicht nur ethnisch konstruiert, sondern räumlich,
über ökologische Zonen. Jürgen Riester erwähnt in der Arbeit „En
busca de la Loma Santa“ aus dem Jahr 1976 auch „die Movima“. Die Arbeit hat vor
allem das Ziel, über die Kultur und soziale Situation der indigenen und marginalisierten
Bevölkerung im Tiefland zu informieren oder auf diese überhaupt erst aufmerksam machen,
da die indigene Bevölkerung im Tiefland bisher von der bolivianischen Gesellschaft kaum
wahrgenommen und als Menschen zweiter Klasse behandelt wurde (Riester 1976: 9-
10). Unter
der Überschrift „Los Movimas“ wurden auf knapp zwei Seiten folgende Informationen
zusammengetragen:
Die Movima wurden wie die Mojeños durch die Jesuiten in Reduktionen konzentriert
und lebten in der Zeit der Jesuiten in den Reduktionen Santa Ana, San Luis, San Borja
und Santos Reyes. Zur Zeit der Studie von Riester (1963-1972) sollen circa 10.000 Movima
in der Provinz Yacuma gelebt haben, in einem Gebiet, dass sich an den Flüssen Yacuma,
Rapulo, Mato und Apere erstreckt. Circa 180 Ansiedlungen soll es hier geben, mit El Perú
und Desengaño mit der größten Bevölkerung. Die Gründung zweier weiterer Siedlungen
im Norden an den großen Seen soll das Ergebnis einer Migration sein, die auf Konflikte
mit Großgrundbesitzern zurückgehen soll. Die Movima sollen bis auf eine Ausnahme
ihre traditionelle Kultur aufgegeben haben:
«Con excepción de un pequeño número de
movimas, que viven aislados en la región entre el río Rapulo y el río Maniqui, en Monte
de Oro, los indígenas han abandonado su cultura tradicional» (Riester 1976: 50).
Dieser
Prozess soll mit den Jesuiten begonnen und sich dann in der Zeit der Republik intensiviert
haben, als die Movima, wie andere indigenen Gruppen auch, für die Kautschukgewinnung
verschleppt wurden. Später wurden sie als Tagelöhner auf den Rinderzuchtfarmen der
Bolvianer eingesetzt. Die Provinz Yacuma wird kurz beschrieben, als das Zentrum der
Rinderzucht. Die Großgrundbesitzungen sollen bis 17.000 Stück Vieh züchten. Nur wenige
Movima soll es dagegen gelungen sein, alleine von der Rinderzucht leben zu können.
Insgesamt wird
die Situation der Movima als sehr schlecht beschrieben, abhängig von
den Großgrundbesitzern oder von Händler und dem lokalen Markt. Die Agrarreform soll
die Verarmung und Unterwürfigkeit der indigenen Bevölkerung vorangetrieben haben
(Riester 1976: 51).
Territorium und necesidades espaciales
Auf den politischen Druck, den die sozialen Bewegungen seit den 19980er Jahren im
Tiefland Boliviens auf die Staatsmacht ausübten, wurde im Jahr 1996 mit einer Neuregelung der
Landvergabe reagiert. Einer der zentralen Forderungen der Protestmärsche
in den Jahren 1990 und 1996 nach Territorium und Autonomie sollte damit Rechnung
getragen werden. Am 18. Okotber verabschiedete das Nationale Institut für Agrarreform
(sp. Instituto Nacional de Reforma Agraria, INRA) das Gesetz Nummer 1715. Mit die-
sem Gesetz wurde das Konzept des sogenannten „ursprüngliches Gemeinschaftslandes“
(sp. Tierra Comunitaria de Origen) eingeführt, das indigen definierten Gemeinschaften
ermöglichen sollte, Land kollektiv und in relativer Autonomie zu bewirtschaften und zu
verwalten. Isamel Guzmán Torrico weist darauf hin, dass mit dem Gesetz bewusst auf
den Begriff „Territorium“ verzichtet und dieser durch die Bezeichnung „Land“ ersetzt
wurde, was als eine eher restriktive Antwort auf die Forderungen der sich indigen definie-
renden Akteure zu verstehen ist (Guzmán Torrico et al. 2007: 19). Deren Forderungen
nach territorialer Selbstverwaltung sollten auf die kontrollierte Vergabe von Landrechten
beschränkt werden, da eine tatsächliche Autonomie der TCOs als Bedrohung für das
nationalstaatliche Gefüge betrachtet wurde (Guzmán Torrico et al. 2007: 19; Tierra
2011: 16).
Während die Forderung der indigen definierten Bewegungen nach Territorium auf die
Schaffung großer zusammenhängender sowie politisch und wirtschaftlich selbstverwalteter
Gebiete abzielte, zeichnet sich das Konzept des „ursprünglichen Gemeinschaftslandes“
bis auf wenige Ausnahmen durch eine kleinparzellige Strategie der Landvergabe aus, die
bestehende Besitzverhältnisse kaum infrage stellte und die TCOs nicht mit den Rechten
der kommunalen Selbstverwaltung ausstattete, sodass die Interessen der landbesitzenden
Klasse weiter dominierend sind.
Mit der neuen Verfassung Boliviens, die im Jahr 2009 in Kraft trat, wurden die TCOs
in Territorios Indígenas Originarios Campesinos (TICO) überführt
(Asamblea Constituyente 2008: Art. 411), womit den „Nationen und Völkern
indígenas originarios campesinos“ noch einmal besondere kollektive Rechte zugesprochen werden.
Das nicht nur von indigenen Territorien die Rede ist, geht auf den Einfluss von CONAMAQ
(sp. Consejo Nacional de Markas y Ayllus de Qullasuyu) und
CSUTCB (Confederación Sindical Única de Trabajadores Campesinos de Bolivia) zurück,
die auf eine Erweiterung der Bezeichnung um originario und campesino bestanden
(Tierra 2011: 16). Wie sich diese neue Entwicklung lokal niederschlagen wird,
ist noch nicht abzusehen. Allerdings bahnen sich Konflikte zwischen indigen und nicht-indigen
definierten Akteuren ab. Die CIDOB als Interessenvertretung der indigen definierten
Bevölkerung im Tiefland soll beispielhaft darauf bestehen, dass der Übergang von einer
TCO in eine TIOC nicht beinhalten dürfe, dass damit die campesinos, colonizadores und
comunidades interculturales als gleichberechtigte Teilhaber der TICOs betrachtet werden
(Tierra 2011: 16).
Obschon das Ley INRA die Überprüfung der seit der Agrarreform von 1953 bestehenden
Besitzverhältnisse auf ihre Rechtmäßigkeit hin, die Einführung eines Landkatasters und
die Regulierung der Landtitel (sp. saneamiento) vorsah, wurden von den 107 Millionen
Hektar zur Disposition stehenden Landes bis zum Jahr 2006 nur 9% reguliert (INRA
2010: 48).
Die comunidad ist nicht das Bindeglied von Gemeinschaft, eher der Ort der materiellen Produktion,
wogegen Santa Ana der Ort der religiösen, rituellen Produktion von Gemeinschaft ist.
Wobei verschiedene Akteure hier unterschiedliche Räume belegen, die jeweils eigene
Gemeinschaften produzieren, die wiederum keine überzeitliche Gültigkeit
haben . Santa Ana wird als das eigene imaginiert. Während Globalisierung
in eine andere Richtung verweist.
Ökoheilige - „ecologically noble savage“
Indigene, die als „Ökoheilige, im Einklang mit der Natur leben. Kent Redford
(1990) hat dafür den Begriff des „ecologically noble savage“ geprägt. Lokales Wissen wird in diesem
Fall als Lösung aller Probleme erachtet. Es soll darum gehen, dieses Wissen zu erhalten und entsprechend
vor äußeren Einflüssen und dem Verschwinden’ zu schützen.
Mit dem Wahlsieg der MAS wurde die ungleiche Verteilung des Landes wieder zu
einem zentralen politischen Thema. In relativ kurzer Zeit, zwischen 2006 und 2011, konnte
die Fläche der titulierten TCOs auch tatsächlich auf 20,7 Millionen Hektar fast verdoppelt
werden. Allerdings entfielen 43% der neu titulierten Fläche auf nur vier große TCOs im
Tiefland und im Süden von Potosí (Tierra 2011: 15). An der ungleichen Verteilung des
Landes und an den bestehenden Besitzverhältnissen haben die ergriffenen Maßnahmen
der Regierung unter Evo Morales bisher wenig geändert (vgl. Schaller 2010: 284-285).
Zur Zeit sieht es danach aus, dass die Politik von Morales und der MAS eher auf einen
Ausgleich zwischen den Interessen der indigen definierten und besitzlosen Bevölkerung
und der landbesitzenden Elite bedacht ist, als an einer tatsächlichen Umstrukturierung
der Verhältnisse (siehe dazu Regalsky 2010).171
Mit der Einführung des „ursprünglichen Gemeinschaftslandes“ (TCO) ist eine weitrei-
chende Festschreibung indigen definierter kollektiver Identität verbunden. TCOs werden
in dem Gesetzt INRA von 1996 folgendermaßen definiert:
«Las Tierras Comunitarias de Origen son los espacios geográficos que constituyen
el habitat de los pueblos y comunidades indígenas y originarias, a los cuales han
tenido tradicionalmente acceso y donde mantienen y desarrollan sus propias formas
de organización económica, social y cultural, de modo que aseguran su sobrevivencia
y desarrollo. Son inalienables, indivisibles, irreversibles, colectivas, compuestas por
comunidades o mancomunidades, inembargables e imprescriptibles;» (INRA 1996: Art.
41)
Die TCOs sind laut Definition also geografische Räume, die den traditionellen Lebensraum
indigen definierter Gemeinschaften bilden. Sie sind unveräußerlich, unteilbar, kollektiv,
unpfändbar und nicht verschreibbar, wodurch sie den Regeln des Marktes entzogen
werden. Um den Rechtstitel „ürsprüngliches Gemeinschaftsland“ für ein Territorium
zu erlangen, ist der Nachweis zu erbringen, dass die natürlichen Ressourcen von einer
indigen definierten Bevölkerung nach traditionellen Methoden bewirtschaftet werden.
Eine wichtige Phase im Prozess der Titulierung, der sich meist über viele Jahre hinzieht,
ist dabei die Identifikation von sogenannten „räumlichen Bedürfnissen“ (sp. necesidades
espaciales) der indigen definierten Gemeinschaft (vgl. Vries 1998: 17). Die Evaluierung
der „räumlichen Bedürfnisse“ dient dabei der Festlegung des Gebietes, welches unter
Schutz gestellt werden soll, damit die indigen definierte Gemeinschaft ihre traditionellen
Wirtschaftsweisen und kulturellen Praktiken weiter ausüben und sich damit als indige-
ne Gemeinschaft reproduzieren kann, oder anders ausgedrückt, die Identifikation der
„räumlichen Bedürfnisse“ hat zum Ziel:
«[. . . ] de garantizar al pueblo demandante que se
titule la cantidad de tierra de las características naturales y culturales que le permita
reproducirse y desarrollarse como pueblo indígena» (Vries 1998: 22).
Die Bewirtschaftung des Landes ist dabei der ausschlaggebende Faktor, der die territoriale
Ausdehnung einer TCO bestimmt. Kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft, die extensive Nutzung
natürlicher Ressourcen wie Wald und wildwachsender Nahrungsmittel, Fischfang und Jagd gelten
im Tiefland als Kennzeichen einer traditionellen Wirtschaftsweise.
Die Subcentral Movima brachte zwei Eingaben zur Titulierung von Land als „ursprüngliches Gemeinschaftsland“
bisher auf den Weg. Die erste Eingabe wurde im Jahr 2001 und
die zweite im Jahr 2006 evaluiert. Für die Evaluierung sind staatliche Stellen zuständig.172
Die Erhebungen vor Ort wurden in der Regel in Zusammenarbeit mit der Subcentral Mo-
vima durchgeführt und stützen sich vorwiegend auf Feldforschungen und Interviews. Der
Antrag auf Titulierung (sp. demanda) der TCO Movima I im Jahr 2001 berücksichtigte
drei comunidades und die Forderung der TCO Movima II aus dem Jahr 2006 bezog 22
comunidades ein. Es handelt sich dabei jedoch nicht um ein zusammenhängendes Gebiet.
Die betroffenen comunidades verteilen sich quer über die Provinz Yacuma und liegen
vornehmlich an den Flussläufen. Erfolgreich waren die Anträge nicht, insgesamt wurden
bisher nur drei comunidades als „ursprüngliches Gemeinschaftsland“ tituliert, die darüber
hinausgehend eine sehr kleine Fläche umfassen und von Großgrundbesitz umgeben und
eingeschlossen sind.
Im Falle der TCO Movima I und II wurden die Eingaben zur Titulierung folgendermaßen
begründet:
«En la actualidad el Pueblo Indígena Movima ocupa espacios reducidos dentro el área
demandada, sobre los que practican las actividades tradicionales como la agricultura,
la recolección, la caza y la pesca. Por otra parte, las condiciones desventajosas que caracterizan
a este pueblo que
señalan una alta vulnerabilidad socioeconómica, se dan por el acceso limitado a
aquellas áreas donde existen pastos naturales aptos para la actividad pecuaria, los
cuales se encuentran ocupados por los puestos ganaderos de las estancias asentadas
en la zona; razón por la que es necesario considerar un espacio territorial que viabilice
un desarollo productivo, social y cultural de este pueblo indígena.» (MACPIO und
VAIO 2001: 1)
«El objetivo del Informe de Necesidades Espaciales es establecer el espacio vital
para garantizar al pueblo indígena demandante su reproducción económica, social,
cultural y política; bajo sistemas der organización asumidos y legitimados por sus
prácticas culturales, las cuales regulan el acceso y aprovechamiento de los recursos
naturales para la consolidación de la seguridad jurídica de sus espacios territoriales.»
(MDRAyMA 2006: 1)
Mit der Titulierung von Land als TCO soll es dem „indigenen Volk Movima“ ermöglicht
werden, so die Begründung, als traditionell verstandene ökonomische, soziale und
kulturelle Praktiken aufrechtzuerhalten, deren Reproduktion durch einen limitierten
Zugang zu Land bedroht sind. Ausführlich werden die historische Entwicklung der Region,
Vermutungen über den vorspanischen Siedlungsraum der Movima, der Umgang mit
natürlichen Ressourcen, Landwirtschaft und Ernte, die politischen, demographischen
und sozialen Strukturen, das Wissen um Medizinalpflanzen, Kunsthandwerk und andere
kulturelle Aspekte und Praktiken sowie „indigene Wissensbestände“ in den Evaluierun-
gen zur Titulierung vorgestellt. Die traditionelle Bewirtschaftung des Landes sowie der
traditionelle Umgang mit den natürlichen Ressourcen nehmen dabei den größten Raum
ein. Betont werden die überlieferten Wissensbestände, die als Zeichen für „Indigen-Sein“
gelten. So wird im Falle der TCOs Movima zum einen auf den schädlichen Einfluss
der Missionszeit hingewiesen, unter dem das überlieferte Glaubenssystem stark gelitten
haben soll (MACPIO und VAIO 2001: 17), und zum anderen werden Wissensbestände
herausgearbeitet, die als Kennzeichen für „Indigen-Sein“ gelten. Als Synonym für den
durchgreifenden Einfluss der Missionszeit wird auf das Cabildo Indigenal Movima verwie-
sen (MACPIO und VAIO 2001: 14; MDRAyMA 2006: 13) und auf den Festtagskalender,
der neben einigen zivilen Feierlichkeiten in erster Linie dem katholischen Heiligenkalender
folg. Fiskalland spielt in der Region dagegen kaum eine Rolle. Insgesamt berücksichtigt die
Regulierung von Land (sp. saneamiento) in dem Gebiet, damit ist vor allem die Region Iténez-Mamoré gemeint, in der die TCOs Canichana, Itonama, Moré, Sirionó, Baure, Cayubaba, Joaquiniano und eben
Movima zur Titulierung beantragt wurden, stärker die Ansprüche Dritter, als die der TCOs.
«No se puede negar que el sistema de creencias ha sido vulnerable por la influencia
religiosa recibida, lo tradicional como tal se ha mimetizado y transformado dando paso
a manifestaciones con significativa carga se sincretismo, en este sentido actualmente
las fiestas consideran el calendario católico religioso: danza de los macheteros, jocheo
de toros y palo encebao.» (MACPIO und VAIO 2001: 18)
Das Cabildo wird aber auch als die zentrale Instanz der indigen definierten Gemeinschaft
auf kultureller Ebene beschrieben, die wesentlich das kulturelle Gedächtnis repräsentiert.
So soll unter den Movima die Überzeugung vorherrschen, dass diese Institution
die Essenz der überlieferten Bräuche und das Wissen der Vorfahren (sp. antepasados)
verkörpert (MACPIO und VAIO 2001: 14). Außerdem wird die zentrale Rolle des Cabildo
auf dem Gebiet der religiös motivierten Festtagskultur erwähnt (MDRAyMA 2006: 15-16).
Gleichzeitig wird auf ein mit christlichen Elementen überlagertes oder verloren ge-
gangenes „indigenes Wissenssystem“ verwiesen. So wird im Rahmen der Evaluierung
aus dem Jahr 2001 betont, dass für die Movima zwar keine heiligen Räume oder Orte
(sp. espacios sagrados) ausgemacht werden konnten, dass aber davon ausgegangen wer-
den muss, dass vor Ankunft der Spanier der Naturglaube, im Sinne einer Verbindung
zwischen dem Heiligen und der umgebenden Umwelt, existierte. Begründet wird diese
Argumentation, indem wage Vorstellungen von indigenen Lebens in vorspanischer Zeit
universalisiert werden. Alle Völker im Gran Moxos, so die Vorstellung, lebten eng mit der
Natur zusammen, so dass der Rückschluss gezogen wird, dass auch die Movima einem
Naturglauben anhingen:
«Sabemos que los Movimas forman parte del Gran Moxos, entonces prodríamos
señalar que lo sagrado ha tenido una connotación y estrecha relación al hábitat
que lo rodea, en este sentido podemos relacionarla con la geografía cultural [. . . ].»
(MACPIO und VAIO 2001: 17)
Außerdem soll bei den Movima die Vorstellung von einem bösen Geist (sp. espíritu maligno)
verbreitet gewesen sein, was wiederum bestätigen soll, dass ein Dualismus zwischen positiv
und negativ und gut und böse et cetera bei allen Völkern vorkommt (MACPIO und VAIO
2001: 16-17). Zur Bestätigung der Aussagen wird auf historische Berichte von Alfred
Métraux und Alcides d’Orbigny über die „Moxos-Indianer“ verwiesen. Heute noch
sollen sich die Movima den Glauben an übernatürliche Wesen, wie den Besitzern (sp.
dueños) des Waldes, der Tiere und an die Götter (sp. dioses) des Wassers, erhalten haben,
obschon einschränkend immer wieder darauf hingewiesen wird, dass das Glaubenssystem
unter dem religiösen Einfluss stark gelitten hat (MACPIO und VAIO 2001: 17). Zur
Untermauerung dieser Aussage wird ein häufig zitiertes Werk zur Beschreibung indigen
definierter Völker im Tiefland Bolviens aus dem Jahr 1998 angeführt:
«También se sabe que los movima tienen conocimientos y prácticas de magia y que
enlazan sus saberes sobre el manejo de la selva en sus distintos ámbitos y recursos, con
el mundo sobrenatural. Pero no se tiene una verificación antropológica o etnográfica
de esa realidad.» (Díez Astete und Murillo 1998: 179)
Obschon keine für „die Movima“ als heilig betrachteten Orte innerhalb der zur Titulation
stehenden Gebiete ausgemacht werden konnten, soll eine enge Mensch-Umwelt-Beziehung
charakteristisch für „die Movima“ sein:
«Si bien dentro del área demandada los beneficarios no identifican espacios sagrados
en el sentido de misterio, poder, paradigma, encuentro con lo pasado, al cual acceden
con ritos y especialistas, debemos mencionar que el Movima considera fundamental
el equilibrio en la relación hombre naturaleza, en esta relación se identifican espacios
relacionados a los cerros, lomas, quebradas, ríos y lugares más específicos como áreas
del monte.» (MACPIO und VAIO 2001: 93)
Auch in der zweiten Evaluierung wird betont, dass der Umgang mit der natürlichen
Umwelt von Vorstellungen eines Naturglaubens geprägt ist, der sich unter anderem darin
äußern soll, dass die übernatürlichen Wesen in Wäldern, Flüssen und Seen um Erlaubnis
gebeten werden müssen, bevor es zu einem störenden Eingriff durch den Menschen kommt,
sei es bei der Jagd, dem Fischfang oder anderer Aktivitäten (MDRAyMA 2006: 65).
Die Verbindung zwischen Mensch-Natur-Tier zeige sich so bis heute in den Praktiken
des alltäglichen Lebens. Die Jagd wird als eine besonders wichtige Tätigkeit bezüglich
der Identitätsbildung „der Movima“ beschrieben, da diese Praxis aus frühesten Zeiten
stammen und mit Zeremonien belegt sein soll:
«La actividad de la caza tiene una gran importancia en la identidad de los movima,
pues se remonta desde los primeros tiempos, guarda algunas ceremonias que debe
realizarse para obtener el alimento.»(MDRAyMA 2006: 65)
So soll die Praxis noch heute verbreitet sein, dass der Jäger vor der Jagd den Herrn
der Tiere um Erlaubnis bittet und ihm als Gabe eine Zigarette anbietet (MACPIO
und VAIO 2001: 17; MDRAyMA 2006: 65). Es werden im Folgenden einige weitere
Vorstellungen aufgeführt, die bei den Movima verbreitet sein sollen und als Beleg einer
engen Mensch-Umwelt-Beziehung herangezogen werden. Als Beispiele werden Natur- und
Tierbeobachtungen angeführt, die als Indikatoren für zukünftige Ereignisse dienen sollen.
Beispielhaft soll die Vorstellung verbreitet sein, dass wenn der Hahn am Vormittags kräht,
es schlechtes Wetter geben soll oder die Stimme eines bestimmten Vogels soll starken
Wind vorhersagen (MACPIO und VAIO 2001: 18).
In den bisher genannten Punkten überschneiden sich die beiden Evaluierungen stark,
allerdings geht die Erhebung aus dem Jahr 2006 bei der Darstellung der Mensch-Umwelt-
Beziehung wesentlich detailreicher vor als die Evaluierung aus dem Jahr 2001. Einerseits
wird festgestellt, dass kulturelle Praktiken bezüglich der ökonomischen Reproduktion
nicht verbreitet sind und andererseits wird von einer reichen kulturellen Erbmasse (sp.
rico acervo cultural) gesprochen, die im Umgang mit den natürlichen Ressourcen eine
wichtige Rolle spielen soll, auch wenn dieses Wissen nur unter der älteren Generation
verbreitet sein soll:
«Aunque las prácticas culturales asociadas al sistema productivo no son diversas en
las comunidades de Movima II, sin embargo, entre los habitantes esta presente un
rico acervo cultural de cual tienen mayor conocimiento los mayores, mientras que los
jóvenes conocen muy poco o deconocen.» (MDRAyMA 2006: 65)
Als heilige Orte werden in diesem Fall Wälder, Flüsse und Lagunen ausgemacht, in
denen übernatürliche Wesen oder Geister in den Vorstellungen der Menschen leben sollen
(MDRAyMA 2006: 65). Vor allem die Jagd und der Fischfang werden mit den Vorstel-
lungen von übernatürlichen Wesen und kulturellen Praktiken dabei in eine Beziehung
gesetzt. So soll das Wissen verbreitet sein, dass beim Fischfang den Fischen Chivé
aus einer Tutuma angeboten werden muss oder wie erwähnt soll bei der Jagd der Herr
der Wälder um Erlaubnis gebeten und eine Zigarre geraucht werden. Es folgen weitere
Darstellungen bestimmter kultureller Praktiken, die mit der Produktionsweise in Verbindung
gebracht werden und eine enge Mensch-Umwelt-Beziehung sowie das Vorhandensein
überlieferter kultureller Wissensbestände anzeigen sollen (MDRAyMA 2006: 66).
Zu
den alten Wissensbeständen wird in beiden Erhebungen außerdem der Umgang mit
Pflanzen zur Heilung bestimmter Krankheiten gezählt. So sollen sich traditionelle Heiler
(sp. curanderos tradicionales) eine große Kenntnis in der Anwendung medizinaler Pflanzen
erhalten haben (MACPIO und VAIO 2001: 18), der Umgang mit Heilpflanzen soll aber
auch allgemein weit verbreitet sein (MDRAyMA 2006: 68). Ausführlich wird das lokale
Wissen bezüglich der natürlichen Ressourcen vorgestellt, also lokale Typologien von
Pflanzen, Böden, Bäumen und Tieren sowie deren Nutzung. Zu den spezifischen kulturel-
len Praktiken und Wissensbeständen wird zudem noch das Kunsthandwerk gezählt.
Während in der Erhebung aus dem Jahr 2001 das Kunsthandwerk allerdings als eine
kaum noch praktizierte und unbedeutende wirtschaftliche Einnahmequelle beschrieben ist
(MACPIO und VAIO 2001: 72), wird es im Jahr 2006 als eine alte überlieferte Aktivität
dargestellt, der eine hohe Wertschätzung entgegen gebracht werden soll:
«La artesania se constituye como una actividad ancestral, que continua siendo
practicada tanto por el hombre como por la mujer [. . . ].»
«Realizando una apreciación general podemos mencionar que entre muchas de sus
tradiciones y formas de vida que fueron casi absorbidas por la presencia de los
jesuitas en estos lugares, la tradición de elaboración de sus principales utensilos
continúa»(MDRAyMA 2006: 58)
Es werden einige Bezeichnungen dieser übernatürlichen Wesen angeführt. In der Evaluierung von
2001 wird der Herr der Tiere bolaun benannt MACPIO und VAIO 2001: 17. 2006 wird balau als
Bezeichnung für den Herrn der Gewässer erwähnt, sowie caycho für den Herrn der wilden Tiere und jichi für den Herrn der Wälder MDRAyMA 2006: 65. An anderer Stelle der gleichen Untersuchung wird jichi außerdem als der Beschützer der Gewässer aufgeführt MDRAyMA 2006: und balau als
Herr der Gewässer MDRAyMA 2006: 65 und kaycho als Herrn der Wälder(MDRAyMA 2006: 66).
Als die wichtigsten Bereiche der wirtschaftlichen Produktion der Movima werden in
konsequenter Weiterführung der herausgestellten Mensch-Umwelt-Beziehung die exten-
sive Landwirtschaft, die Jagd, der Fischfang sowie das Sammeln natürlicher Produkte
(sp. recolección) genannt, die der Reproduktion auf Basis der Familie dienen sollen
(MACPIO und VAIO 2001: 30-31; MDRAyMA 2006: 62). Der Fischfang soll dabei der
Gemeinschaftsbildung dienen (MACPIO und VAIO 2001: 71) und ebenso mit alten Glau-
bensvorstellungen verbunden sein, wie die recolección die Verbindung zwischen Mensch
und Natur herstellen soll, die wiederum einen Teil der Identität der indigenen Movima
verkörpern soll (MDRAyMA 2006: 55-56). Die Einheit der Familie als fundamentale
Basis der Reproduktion wird besonders deutlich herausgestellt, wobei auch hier eine
universalisierte Vorstellung von „Indigen-Sein“ zugrunde gelegt wird:
«Es importante destacar que en los sistemas de producción indígenas, el objetivo
fundamental es el de garantizar la supervivencia y reproducción de la familia, aspecto
que la diferencia de las empresas agropecuarias comerciales, cuyo objetivo es la
maximización de la rentabilidad y la ganancia.» (MACPIO und VAIO 2001: 64)
Während die kommerzielle Wirtschaft also durch Gewinnmaximierung geprägt ist, soll
die indigene Produktion sich durch das Bestreben auszeichnen, das Leben und die Repro-
duktion der Familie zu sichern. Die Prinzipien der Redistribution und der Reziprozität
sollen demnach die indigene Wirtschaft prägen und die indigene Identität bestätigen und
festigen:
«Se debe destacar como rasgo distintivo de la economía indígena Movima, la re-
distribución de la producción generada en la economía familiar, expresada a través
de relaciones de reciprocidad, en el que cada productor puede entregar parte de su
producción para obtener otras, en otro tiempo, de este modo afianzan la identidad
Movima.»(MACPIO und VAIO 2001: 62-63)
Zusammenfassend betrachtet, richtet sich die Begründung der Notwendigkeit zur Etablie-
rung der TCOs primär nach dem Kriterium, ob damit die sozio-kulturelle Reproduktion
einer traditionell gefassten indigenen Gemeinschaft und Produktionsweise erhalten werden
kann. Der sozio-kulturelle räumliche Bedarf wird dabei aus einer spezifischen Mensch-
Land-Umwelt Beziehung abgeleitet, die sich in bestimmten kulturellen Praktiken und
Wissenssystemen äußern und die kulturelle Identität verkörpern soll:
«Superficie Socio Cultural, comprende espacios que de manera tradicional ocupan los
pueblos indígenas, donde se pone de manifiesto la relación hombre-tierra-naturaleza
que mantienen los indígenas con su medio, y en los que realizan actividades de tipo
reproductivo (caza, pesca y recolección) realizando un uso integral del espacio. Es
la superficie identificada para fortalecer la identidad cultural del pueblo indígena
demandante.» (MACPIO und VAIO 2001: 88)
Die Verknüpfung ethnisch markierter Identitätszuschreibungen mit territorialen Rech-
ten ist aus mehreren Gründen als äußerst problematisch anzusehen. Es findet eine
Homogenisierung und Festschreibung kollektiver Identität auf Basis einiger weniger,
scheinbar das Wesen einer Gruppe dominierender kultureller Ausprägungen statt, um
damit Ansprüche auf und die Rückforderung von Land und Territorium zu begründen.
Die Abgrenzung und Eingrenzung kollektiver Identität findet dabei nicht nur aufgrund
ethnisch begründeter kultureller Marker statt, vielmehr werden die so geschaffenen
kollektiven Identitäten räumlich verankert und festgeschrieben. Ein Lebensraum, eine
Lebensweise, geteilte Werte und Normen ergeben eine in sich geschlossene und kohärente
Kultur. Das klassische Herdersche Kugelmodell von Kulturen liegt dem Konzept zugrunde.
Dieses Kugel- oder Containermodell fußt in diesem Fall auf einer sehr wagen Vorstel-
lung von „Indigen-Sein“, das in einer direkten Übersetzung von einem angenommenen
präkolonialen Zustand in die heutige Zeit übertragen wird. „Indigen-Sein“ ist in dieser
Vorstellung von einer engen Mensch-Umwelt-Beziehung geprägt, aus der sich alle weiteren Markierungen
ableiten lassen, wie kulturelle Praktiken und Glaubensvorstellungen,
aber auch Produktionsweisen, wie Subsistenzwirtschaft auf Basis der Familie oder Jagd,
Fischfang und recolección.
Eine der dominantesten
Repräsentationen
„indigenen
Seins“ seit der Kolonialzeit überhaupt wird so reaktiviert und zum Motor gegenwärtiger
und zukünftiger Bestrebungen einer indigen definierten Gemeinschaft erklärt. Es handelt
sich um das Bild des „guten Indianers“, der von der Natur und im Einklang mit der
Natur lebt, die natürlichen Ressourcen und überlieferten Wissenssysteme zu nutzen und
zu schützen weiß und dessen gesellschaftliches System auf Reziprozität und Kommunita-
rismus beruht. Die TCOs, zumindest im Tiefland Boliviens, werden so zu imaginierten
Orten, die ein durch und durch idealisiertes Bild von „Indigen-Sein“ repräsentieren. Das
Leben auf dem Land und in den TCOs sieht häufig anders aus, zumindest in den von der
Autorin besuchten TCOs Movima (Cachuelita/Montes del Oro und Carmen del Mato)
und weiteren comunidades und ist, mit graduellen Abstufungen, vor allem durch schwerste
körperliche Arbeit, schlechte schulische Ausbildung, fehlendem Entwicklungspotential,
Landflucht, fehlender Infrastruktur und Armut geprägt. Im Falle der TCOs Movima
hat die per Gesetzt festgelegte Verknüpfung einer traditionellen Wirtschaftsweise mit
territorialen Ansprüchen weitreichende Konsequenzen. Wenn „Indigen-Sein“ die Vor-
aussetzung für territoriale Selbstbestimmung ist, das „Indigen-Sein“ aber gleichzeitig
mit einer traditionellen Wirtschaftsweise und einem aus möglichst präkolonialer Zeit
stammenden Wissenssystemen und kulturellen Praktiken begründet wird, ist wirt-
schaftliche Entwicklung und gesellschaftlicher Wandel per Definition nur innerhalb stark
reglementierter Grenzen möglich.
Diese Grenzen werden dabei einerseits territorial-
juristisch und andererseits symbolisch über eine Definition von „Indigen-Sein“ festgelegt.
Auch wenn die Regulierung (sp. saneamiento) der Landverteilung und die Anerkennung
territorialer Rechte über die Schaffung von TCOs sicher ein Erfolg für eine bis in die
1980er Jahre nahezu vollkommen politisch, sozial und ökonomisch marginalisierte und
besitzlose Bevölkerung im Tiefland darstellt, führt gerade diese territoriale und symbo-
lische Festschreibung einer kollektiven Identität zu einer kleinparzelligen Strategie der
Landumverteilung, mit der bis auf wenige Ausnahmen kaum lebensfähige Einheiten bisher
geschaffen wurden. Auf Subsistenzwirtschaft und auf eine nachhaltige Bewirtschaftung der
nachwachsenden Ressourcen festgelegt, haben die TCOs im ökonomischen Wettbewerb
gegenüber privatwirtschaftlichen Produktionsstätten das Nachsehen.
Da es sich bei den
TCOs um Kollektiveigentum handelt, können sie außerdem nicht gleichberechtigt am
Markt teilnehmen. Mit der Vergabe kommunaler Landtitel werden alle Rechte an Privat-
und Familienbesitz an die Kommune abgetreten, sodass alleine staatliche Kredite die
Modernisierung der Produktion garantieren könnten (vgl. Schaller 2010: 284, 291). Die
Kulturalisierung und Ethnisierung der Agrarpolitik schafft insofern neue Gegensätze, zu
den bereits bestehenden. Neben Groß- versus Kleinstbesitz, Tiefland versus Hochland ist
der Gegensatz Familienbesitz versus Kollektivbesitz und campesino versus indígena getre-
ten (vgl. Schaller 2010: 284). Bezüglich der indigen definierten Bevölkerung des Tieflandes
wird außerdem der aus der Kolonialzeit stammende Dualismus Kultur versus Natur reak-
tiviert, indem „Indigen-Sein“ funktional an eine enge Mensch-Umwelt-Beziehung geknüpft
wird. Aus dieser Verknüpfung ergeben sich weitere Dualismen, wie urban und modern
versus ländlich und rückständig. Die Praxis der Landregulierung (sp. saneamiento) im
Tiefland Boliviens hat einen erheblichen Anteil an der Zunahme ethnisch markierter
Identitätsfestschreibungen, indem eine Einheit von kollektiver Identität und Territorium
konstruiert wird (vgl. Molina Argandoña et al. 2008a: 59).
Die Titulierung von Land und die Realität
Im Falle der Begründung für die Schaffung der TCOs Movima muss zudem ange-
zweifelt werden, dass Jagd, Fischfang, recolección, die arbeitsintensive und ertragarme
Landwirtschaft auf meist schlechten Böden an den Flussläufen sowie das Kunsthandwerk
tatsächlich das frei gewählte Produktionssystem der ländlichen Dorfgemeinschaften dar-
stellt, nur weil diese als indigen definiert werden. Dabei ist es unerheblich, ob die ethnische
Identitätsfestschreibung eine selbst gewählte oder fremd bestimmte ist, oder besser gesagt,
sie ist nie eine rein selbst gewählte oder eine rein fremd bestimmte. Die Logik, dass
spezifische traditionelle Produktionsweisen auf „Indigen-Sein“ schließen lassen und im Um-
kehrschluss, dass „Indigen-Sein“ sich in traditionellen Formen des Lebens und Arbeitens
ausdrückt, kann nur unter Ausblendung des historischen und kulturellen Wandels sowie
kolonialer Herrschafts- und bestehender Besitzverhältnisse funktionieren.
Das Vorgehen der staatlichen Stellen bei der Planung der TCOs wurde so zum Teil
deutlich kritisiert, da
die auf den Erhebungen basierenden Empfehlungen für die räumliche Ausdehnung der TCOs zu wenig
Spielraum für zukünftige Entwicklungen und wirtschaftlichen Wandel zulassen (siehe Vries 1998: 24).
So wurden im Falle der TCOs Movima sehr kleine Gebiete tituliert, die weiterhin umgeben sind von
Großgrundbesitz und den Bewohner/-innen kaum Potential der wirtschaftlichen Entwicklung bieten.
Dieser Befund trifft auch auf andere Regionen im Tiefland zu. Auch in der Provinz Mojos wurden
den titulierten comunidades in der Regel sehr kleine Flächen Land zugesprochen, die nur ein geringes
Bevölkerungswachstum zulassen, vor allem dann, wenn gleichzeitig eine nachhaltige
Bewirtschaftung des Bodens und der nachwachsenden Rohstoffe gefordert wird. Nicht abzusehen
ist die Entwicklung der comunidades, falls es zu einem Bevölkerungsüberschuss kommen
sollte und die natürlichen Kapazitäten der comunidades nicht ausreichen.
Das Vorgehen der staatlichen Stellen bei der Planung der TCOs wurde so zum Teil deutlich
kritisiert, da die auf den Erhebungen basierenden Empfehlungen für die räumliche Ausdehnung
der TCOs zu wenig Spielraum für zukünftige Entwicklungen und wirtschaftlichen Wandel zulassen
( Vries 1998: 24).
Das Tiefland Boliviens ist in mehreren Wellen erobert und kolonialisiert worden, zuletzt,
und was die Verteilung des Landes betrifft, in einem bis heute prägenden Ausmaß, im
Zuge der Agrarreform von 1953. Die heutige Nutzung und Verteilung des Landes ist
somit keine frei gewählte, sondern Ausdruck von Vertreibung und Marginalisierung der
autochthonen Bevölkerung in einer nicht weit zurückliegenden Vergangenheit. Erst die
abschließende Etablierung von Großgrundbesitz nach den 1950er Jahren und die damit
einhergehende Privatisierung des Landes hat dazu geführt, dass fast ausschließlich an
den Flussläufen Dörfer und Ansiedlungen errichtet werden konnten, da die Pampa nicht
mehr frei zugänglich war. Die Verdrängung der autochthonen Bevölkerung aus dem
Zentrum der ehemaligen Missionen war ein langer Prozess, der im Beni bereits ab Mitte
des 19. Jahrhunderts mit dem Zuzug kreolisch-mestizischer Händler begann und mit
dem Kautschuk-Boom um 1900 an Dynamik gewann. Bereits zu dieser Zeit setzte eine
Migration der autochthonen Bevölkerung in die marginalen Zonen der Zentren und länd-
lichen Gebiete ein und neue comunidades oder kleinere Ansiedlungen in abgelegeneren
Gebiete wurden gegründet (Molina Argandoña und Soleto Selum 2002: 41-42). Aber erst
in den 1940er Jahren begann die kommerzielle und exportorientierte Rinderzucht im
Beni, da zum einen die Nachfrage nach Fleisch in den urbanen Zentren im Hochland und
zur Versorgung der Minenarbeiter stark gestiegen war und zum anderen der Luftverkehr
neue Transportmöglichkeiten schuf (Molina Argandoña et al. 2008a: 87). Die Agrarreform
von 1953 beschleunigte dieser Entwicklung noch einmal nachhaltig. Die Privatisierung
der Ländereien und Etablierung von Großgrundbesitz verlief dabei vom Zentrum der
ehemaligen Missionen in Richtung der weiter abgelegenen ländlichen Gebiete. Zuerst
war der Zugang zu den nahe der ehemaligen Missionen liegenden Ländereien für die
ansässige Bevölkerung durch die Privatisierung versperrt. Gleichzeitig siedelte sich die
neue besitzende Elite, vornehmlich aus Santa Cruz stammend, in den Zentren der ehe-
maligen Missionsdörfer an und die ansässige Bevölkerung wurde aus der Stadtmitte an
die Ränder des Zentrums verdrängt. Da der Zugang zu den nahegelegenen Ländereien
nun versperrt war, setzte außerdem eine größere Landflucht ein. Heute ist die Rinderzucht der wichtigste Wirtschaftsfaktor im Departement Beni und nahezu das
gesamte fruchtbare Weideland befindet sich in Privatbesitz (Guzmán Torrico 2004: 91,94-95). Mit voranschreitender Privatisierung des Landes und dem Anstieg der Produktivität der Rinderzucht stieg der Druck auf die ländliche Bevölkerung weiter an, die ihre Ansiedlungen und Weideland
zunehmend von Privatbesitz eingegrenzt und in der Ausdehnung beschnitten vorfanden,
so dass eine erneute Verdrängung der autochthonen Bevölkerung an die Ufer der Flüsse
oder in abgelegene Waldregionen einsetzte (Guzmán Torrico 2004: 23).
Mit der Missionszeit wurde die Rinderzucht im Mojos eingeführt. Zahlreiche lokale Familien hatten diese beibehalten und verfügten zum Teil noch bis in die 1960er Jahre über
Viehherden, die einige hundert Stück Vieh betragen konnten.
Dem Druck der finanziell
gut ausgestatteten und vom Staat durch illegale Landvergabepraktiken
unterstützen kreolisch-mestizischen Zuwanderer hatten die viehbesitzenden lokalen Fa-
milien jedoch wenig entgegenzusetzen. Zahlreiche Familiengeschichten gleichen sich in
diesem Punkt. Es wird geschildert, dass die Großväter oder Väter in den 1950er und
1960er Jahren das Vieh und die eigene estancia für wenig Geld verkauften oder aus
Unwissenheit aufgaben.182 Diese Entwicklung ist für viele Regionen im Departement
Beni typisch, beispielhaft auch für die Provinz Mojos. Nicht selten wurden die estancias noch von den Großeltern bewirtschaftet, auf denen deren Enkel heute als Tagelöhner für
Großgrundbesitzer arbeiten, so Ismael Guzmán Torrico:
«No es rareza encontrar en la zona, indígenas que actualmente trabajan como peones
en la estancia que en algún momento anterior, fue la posesión de su abuelo y en
la que, en muchos casos, nacieron en absoluta libertad laboral.» (Guzmán Torrico
2004: 25)
In einer Studie zur lokalen Herausbildung der Gemeinden von San Ignacio de Mojos und San Joaquín beschreiben Wilder Molina Argandoña und Wigberto Soleto Selum eine ähnliche Entwicklung der Verdrängung der autochthonen Bevölkerung aus den Zentren der ehemaligen Missionen, die über einen längeren historischen Prozess verlief und wie die comunidades auf diese Weise aus dem urbanen Kontext erst hervorgegangen sind (Molina Argandoña und Soleto Selum 2002: 55). Der soziale und kulturelle Bezug zum jeweiligen urbanen Zentrum, also den ehemaligen Missionsdörfern, wurde dabei jedoch nie vollkommen aufgegeben (Molina Argandoña und Soleto Selum 2002: 61). Im Rahmen dieser Arbeit konnten keine Katastereinträge aus der Zeit recherchiert werden, um genauere Angaben über Größe des Landbesitzes und des Viehbestandes machen zu können. Öffentliche Verlautbarungen zeigen jedoch, dass auch als indigen definierte Personen ihr Land titulieren ließen und Rinderzucht betrieben haben.
Beispielhaft seien drei Kauf- und Titulierungsgesuche von Länderein genannt, die in der Zeitung El Eco del Beni, die in Trinidad von 1911 bis 1935 erschien, veröffentlicht wurden. Alle Titulierungsgesuche mussten mehrfach öffentlich bekannt gegeben werden, bevor dem Antrag entsprochen werden konnte. In den Verlautbarungen wird zwischen indigenen und nicht-indigenen Personen unterschieden. Insgesamt ist die Anzahl der als indigen bezeichneten Personen, die ein Titulierungsgesuch stellten, wesentlich geringer als die Anträge von nicht-indigen bezeichneten Personen. Am 6. Juni 1913 wurde der Antrag zur Titulierung von Weideland für einen gewissen Carmelo Malale im El Eco del Beni veröffentlicht. Ein Notar gibt hier stellvertretend für den «indígena Carmelo
Malale» bekannt, dass dieser beantragt den Ort mit Namen „El Progreso“ als Privateigentum zu
titulieren. Die Besitzung soll 3750 Hektar Weideland in der Nähe von Santa Ana del Yacuma umfassen (El Eco del Beni 1913c: 7). Am 4. September 1913 wird der Kauf von „Portachuelo“ in der Nähe von Santa Ana und das Titulierungsgesuch durch den „indigenen Pedro Mercado“ für dieses Land bekannt gegeben. Die Besitzung soll 2500 Hektar betragen und der Rinderzucht dienen (El Eco del Beni 1913a: 11). Am 23. Oktober 1913 wird das Titulierungsgesuch für den Ort „Santo Rosario“ des „indigenen“ Antonio Cholima veröffentlicht, ebenfalls in der Nähe von Santa Ana gelegen. Das Land hat eine Ausdehnung von 1250 Hektar und grenzt an den Besitz von Francisco Guasinave an (El Eco delBeni 1913b: 10). Guasinave ist ebenfalls einer der typischer Nachnamen der autochthonen Bevölkerung. Bemerkenswert ist die Größe der zur Titulierung beantragten Gebiete mit gut 1000 bis über 3000 Hektar Land.
Neben dem Verkauf des Viehs wurde der Viehbestand einzelner Familien zum Teil zusätzlich durch Seuchen erheblich reduziert, vor allem durch die Mal de Caderas und den Milzbrand.
Da nur die aller wenigsten Besitzungen rechtmäßig tituliert waren, da die Besitzer häufig
weder über die finanziellen Mittel verfügten noch mit den juristischen und bürokratischen
Vorgänge einer offiziellen Landerwerbung vertraut waren und es sich zu dieser Zeit um
schlecht erschlossene und verwaltungstechnisch abgelegene Regionen des Landes handelte,
gaben sie mit dem Verkauf des Viehs ebenfalls das Land auf, das sie bewirtschafteten.
Auch unter den lokalen Familien gab es ein soziales Gefälle, einige besaßen große, andere
nur kleine Viehbestände. Neben der Viehwirtschaft wurde immer auch Landwirtschaft
betrieben, zur Selbstversorgung aber auch zum Verkauf der Produkte auf den lokalen
Märkten, vor allem in Santa Ana. Mit der Aufgabe der estancias lösten sich häufig
ganze Familienverbände auf, die einen zogen mit ihrer Familie dauerhaft nach Santa
Ana, die anderen gründeten wie im Falle von Cachuelita eine neue comunidad. Mit der
Privatisierung des Landes war eine Rinderzucht für diese Familien kaum mehr möglich,
maximal noch im Rahmen weniger Stück Vieh, da kein Zugang mehr zu dem fruchtbaren
Weideland und den Waldinseln, die vor Hochwasser schützen, gegeben war. Die comunidad
Cachuelita, die im Rahmen des ersten Forderung nach Titulierung einer TCO Movima
evaluiert und auch tituliert wurde, ist nun ein gutes Beispiel dafür, dass das heutige
Produktionssystem, das in den Evaluierungen als Ausdruck einer ursprünglich indigenen
Lebensweise konstruiert wird, eher ein Spiegel der Verarmung der Bewohner/-innen im
Zuge der Etablierung von Großgrundbesitz nach der Agrarreform von 1953 ist.184 Die
comunidad wurde in den 1960er Jahren gegründet, nachdem die Nachkommen eines
Andrés Amblo, der die estancia mit Namen San Germán in der Nähe von El Perú
bewirtschaftet
hatte und als ausgesprochen wohlhabend beschrieben wird, das Land
verlassen und mit einem Rest des ursprünglichen Viehbestandes sich ein noch nicht in Privatbesitz befindliches neues Gebiet erschließen mussten und Cachuelita gründeten. Auch das restliche Vieh wurde in den folgenden Jahren verkauft. Die wenigen Bewohner der comunidad leben heute in erster Linie von der arbeitsintensiven und ertragsarmen Landwirtschaft.
Regionalismus und Indigenismus
Die Geschichte von „oben“ soll auf einen lokalen Stadtgeschichtsschreiber eingehen,
gegen den sich JGM (Movima) explizit ausspricht, da dieser nicht die „wahre“ Geschichte
erzählen soll, sondern nur die Geschichte der carayana, der Weißen. Darüber hinaus soll
eben die „in Stein gemeißelte Geschichte“ berücksichtigt werden, Statuen, die von dem
„wilden“ Indianer erzählen, der durch einen europäischen Missionar „zivilisiert“ wurde
und seitdem Heiligenfiguren anbetet, die ebenfalls europäische Gesichtszüge tragen und
von Statuen, die die Eroberung des Landes durch „heldenhafte Tat“ der Viehzüchter
künden. Außerdem soll die Vergabe von Straßennamen thematisiert werden, die bis auf
eine einzige Ausnahme ausschließlich die Namen der „weißen“, kreolischen Bevölkerung
tragen. Außerdem muss kurz angesprochen werden, dass auch die „Weißen“ sich als
Movima bezeichnen.
In der Präsenz der Jesuiten im Mojos und damit der Gründung und
„Zivilisierung“ der Region durch Missionare meist europäischer Herkunft ist vielleicht
eine Ursache zu sehen, dass sich auch die nicht-indigene Bevölkerung in den ehemaligen
Missionen mit den Namen der indigenen Bevölkerungsgruppen identifizieren.
Die Geschichte aus der Mitte soll in erster Linie aus den Artikeln einer Zeitschrift
erarbeitet werden, deren Entstehen im Jahr 1987 mit der öffentlichen Wahrnehmung
indigener Forderungen und indigener Bewegungen im Tiefland von Bolivien einhergeht. Die
lokale Intelligenz ist hier präsent, es ist der gutgemeinte Blick auf die indigene Bevölkerung
durch eine nicht-indigene Autorenschaft. Die hier entwickelte Darstellung der indigenen
Gruppen und ihrer Vergangenheit ist wichtig, da sich wesentliche Bestandteile eines
indigenen Selbstverständnisses nicht nur aus einem Widerstand zu der Geschichte von
oben erklären lassen, sondern ebenso Motive einer nicht-indigenen aber „gut meinenden“
Darstellung ihrer Vergangeinheit in die eigene Erinnerung inkorporiert haben.
Fortsetzung folgt