True! — nervous — very, very dreadfully nervous I had been and am; but why will you say that I am mad? The disease had sharpened my senses — not destroyed — not dulled them. Above all was the sense of hearing acute. I heard all things in the heaven and in the earth. I heard many things in hell. How, then, am I mad? Hearken! and observe how healthily — how calmly I can tell you the whole story.
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Zana
Jo, die Ukraine und Moldau haben dann die Chance eine Runde weiterzukommen im großen Talentwettbewerb EU. Vielleicht sollten die Kandidaten eine Kandidaten EU gründen und damit die Mitglieds EU an die Wand spielen. Auf jeden Fall sollten die Kandidaten sich mal ohne die Mitglieder treffen, kann ja nicht schaden.
Wo wir gerade bei Rausch-Filmen sind, widmen wir uns doch mal einer echten Rarität, in mehrfacher Hinsicht: Zana – ein Film aus dem Kosovo, der tiefe Einblicke in eine Gesellschaft gewährt, die, wie die Protagonistin, in harten Widersprüchen aus Tradition und Modernität versucht, eine Identität nach den Schrecken des Krieges zu finden. Filme aus dem Kosovo sind keineswegs so exotisch, wie man annehmen könnte. Das alte Jugoslawien hatte eine inhaltlich sehr anspruchsvolle und handwerklich, sowie dramaturgisch absolut beachtenswerte und sehr eigene Filmindustrie. Die brachte etwa Emir Kusturica hervor, der zurecht gefeiert wurde, wie ein Gott, mit z.B. „Underground“ absolute Meisterwerke einer völlig eigenständigen Wahrnehmung entwickelte.
Es war Isa Qosja, der diese sehr eigene Filmsprache zwischen Groteske und Drama, stets auf einem schmalen Grat zwischen Real und Surreal entwickelte. Auch Zana gehört in diese visuelle Tradition. Gute Filme aus Jugoslawien, seinen Teilrepubliken und Provinzen erkennt man im Prinzip in der ersten Sekunde. Ich will euch den Spaß nicht nehmen, diese Perlen der europäischen Filmkunst selbst zu finden. Die handwerkliche Perfektion, das feine Gespür für Stimmungen, aber auch für dramaturgische Prozesse, wie sie nur das Kino kennt, sind auch in Zana in jeder Sekunde spürbar. Im Unterschied zu Kusturica pflegt Zana einen erstaunlichen „Horror-Realismus“. Was bei Prime ein 18+ (FSK 16) einbrachte, obschon es sich um einen echten Autorenfilm, ein Drama ohne jeden Klamauk oder inszenierte Gewalt um der Gewalt willen handelt.
Man kann Zana als einen sozialkritischen und erstaunlicherweise realistischen Horrorfilm verstehen. Warum? Dazu müssen wir in die Welt der nordalbanischen Berge reisen und uns kurz mit der reichen Mythologie dieser Region beschäftigen. Zana ist eine Figur aus der nordalbanischen Mythologie. Bergfeen sind Zanen hausen nach den Vorstellungen der Menschen dort insbesondere an Quellen. Jeder Berg hat seine eigene Fee, seine eigene Zana, seine eigene Quelle. Entsprechend hatte jeder Stamm des Hochlandes ebenfalls eine Zana, die besondere Eigenschaften besaß, die zum jeweiligen Stamm in Beziehung standen. Diese Feen gelten als mutig, und gewähren dem Stamm Schutz. Sie kommen auch in Gjergj Fishta Epos Lahuta e Malcís (Die Laute des Hochlands) vor.
Der Film hebt die Protagonistin Zana in einen spannenden Kontext, indem er einerseits auf die Mythologie verweist, ja sogar so weit geht, die Protagonistin Zana zur modernen Zana zu machen, die ihre eigene Welt nicht mehr versteht, also komplexe Mythologie in einen sozial-psychologischen Zusammenhang überführt. Andererseits wird die Mythologie und viele weitere Versatzstücke der südosteuropäischen Erzähltradition herangezogen, um Bilder für die Visionen der Protagonistin zu finden.
Wir erleben eine Gesellschaft, die ihre eigene Mythologie in einer verzerrten und nur noch leeren sozialen Praxis lebt, wenn sie mit den Mitteln der Moderne, wie der Medizin, nicht mehr weiterkommt. Wir erleben einen grausamen inneren UND äußeren Verlust und eine gleichzeitige Transformation von mythologischen Grundlagen, die changieren zwischen billigem Hokus Pokus und den scheinbar so realen Visionen der Zana.
Sorry, das muss man wissen, wenn man dieses Juwel verstehen will. Es kommt zu einem Rauschen aus Vision, Realität, Heiler Hokus Pokus und dem daraus resultierenden Leidensweg der Zana – das ist ein absolut komplexes, perfektes, durchdachtes und sehr eindrückliches Porträt einer jungen zweifelnden Frau mit einer Posttraumatischen Bewusstseinsstörung, die ohne Weiteres die moderne Zana ist. Sie ist, wie das Land, zerrissen zwischen Moderne und Tradition, zwischen Mythologie und Rationalität inmitten einer durch Krieg und fremde Einflüsse seiner Identität beraubten Region. Was all jene Scharlatane, die über Zana herfallen, also vergessen – sie versuchen, mit den nur mehr leeren Mitteln der Mythologie, die Mythologie auszutreiben, um sie verzweifelt zu transformieren, daraus ergibt sich eine surreale Horrorkulisse vom Feinsten, die Zana immer weiter in ihre PTB stürzt.
Ich betone echter Horror nicht Freitag der 13.. Der Film ist beinahe inszeniert wie ein Mockup, dokumentarisch, wortkarg, unglaublich gut geschauspielert – wie schwer ist es, die Figur in einem Mockup zu spielen. Die ganze alte Filmkunst dieser Region scheint durch. Hartes kontrastreiches Licht, was alle Gesichter zu blassen Gespenstern werden lässt, zu einem unscharfen Schein, Gesichter, durch die man auf eine unglaublich unheimliche Art durchzuschauen scheint – in einen Abgrund, der nicht dunkel, sondern strahlend und so einen Effekt erreicht, von dem man sagen kann, er taucht gleißendes Licht in einen unsichtbaren nur erahnten bedrohlichen Schatten.
Was ist die Story? Eine junge Frau, Zana, hat scheinbar seltsame Visionen, Visionen, die ineinandergreifen, mit Ritualen, wie einer Beerdigung, einer Versammlung von Klageweibern, bis Realität und Vision unauflösbar verwoben sind. Und genau dies ist das gesellschaftliche Menetekel für den Kosovo, die Gesellschaft ist noch gefangen in einem Gewebe aus Realität und Mythologie. Die junge Frau entspricht in vielerlei Hinsicht nicht den Erwartungen ihrer Familie, nicht weil sie aufsässig ist oder irgendwie wirklich krank, nein sie wird nicht schwanger, sie hat diese Visionen, sie geht zum Arzt, der schlägt einen Psychiater vor, doch die Mutter empört sich und meint in ihrer Familie gäbe es keine Irren. Lieber geht sie mit Zana zu den angesprochenen Heilern, doch die Visionen, die stets Rituale oder ritualisierte Gegenstände und Fragmente zeigen, bleiben, werden quälender, werden zur Ersatzrealität, auch zum Zufluchtsort.
Der Film entwickelt gerade über seine Pole absoluter harter Realismus in den Bildern und absolute unheimliche bis gruselige Mythologie in den Bildinhalten eine verstörende, zugleich klaustrophobische Stimmung, vor der ich mich jedenfalls wirklich erschreckt habe, denn auf einmal war es so unheimlich und gruselig, so ein Sog in das Grauen, aber ich wusste nicht warum, so subversiv bis an die Schmerzgrenze wirkt die Spreizung aus Realismus und Mythologie komprimiert in Zana. Dann erfolgt auch tatsächlich noch eine Ritual und Mythologie Videoshow im Fernsehen, das hebt den Entfremdungslevel in eine unglaubliche Dimension. Die Mutter und ihr Mann zeigen Zana abgefilmte rituelle Handlungen, die auf Videokassetten verkauft werden.
Die mythologische Lernkurve sollte man einlegen, denn tut man es nicht, kann es als reines Frauen-Sozialdrama missverstanden werden, was Kusturica, der ebenfalls tief in Mythologien Süd-Osteuropas eindringt, ständig in westlichen Rezeptionen passierte. Nein, das Sozialdrama bedarf der Flankierung durch die Mythologie, durch den Spuk des Alten, um seine volle Wirksamkeit zu entfalten. Dann erst versteht man die Einheit aus Narration, Modernisierungsthema, Landschaft und der Protagonisten – Zana ist nicht einfach eine junge Frau und ihre Visionen, es sind nicht einfach Visionen, sie sind erinnerungartig strukturiert, als seien es Erinnerungen, und das ist das Böse, das Unheimliche, das Grauen, was ist innen, was ist außen, was habe ich erlebt, sodass ich es erinnere, was habe ich mir nur eingebildet, was ist Rausch, was ist Wahnsinn, was ist Realität – das macht Angst.
Natürlich, für uns ist eben einfach eine Posttraumatische Belastungsstörung, aber, das sagen wir nur so leicht, weil wir keine Angst vor, keine Alternative zur Psychologie haben, wenn Mythologie jedoch die Psychologie ersetzt, dann gerät hier eine PTB zu einem echten Horrorfilm auf allerhöchstem, fast schon an E.A. Poe erinnerndes, Niveau (The tell tale heart). Insbesondere als Zana beginnt die Zauberei abzulehnen und ihr Mann droht sich eine jüngere zu suchen, wird der Stresslevel hochgepuscht und der Wahnsinn beginnt, das ist aus Sicht der Angehörigen natürlich eine selbsterfüllende Prophezeiung, was es noch schwerer macht Realität und Spukvorstellungen zu trennen, hervorragend beobachtete Dynamik einer völlig unbehandelten PTB.
Also nicht als Sozialdrama und Aufklärungsfilm verramschen, nicht mit einem westlichen, sogar kolonialen Blick an einem Film voller Verweise und kenntnisreicher Anspielungen vorbeischauen. Der Film ist nicht politisch, wie üblich bei dieser Schule, er geht viel tiefer. Der Krieg ist nur ein Vehikel.
Aber hat es der angesprochene E.A. Poe nicht auch so gemacht? Waren seine Abgründe furchterregenden Horrors nicht auch immer ein Spiegel der Gesellschaft? Ja, ist es nicht sogar so, dass jedes Sozialdrama, wenn man die Schalen der Zwiebel schält, die tiefsten Ebenen erreicht, immer ein Horrorfilm ist, wenn es ein guter Film ist?
Das reicht – und anschauen. Online bei Prime. 10 von 10 – OmdUt – und bitte niemals synchronisieren, diese Sprache ist so wunderbar ….
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